На руинах - 2

Unter den Liegenden hoert man jemanden stoehnen. Tirza begibt sich hin und haelt bei einem Mann an, der sich ruecklings umgewandt und in Verzweiflung seine Haende zum Mond ausgestreckt hat.

Tirza
(beugt sich ueber dem Mann)
Du leidest, Bruder? Brennt dir deine Wunde?
Lass mich sie nun verbinden, so wird's leichter.

Der Mann
Nein, meine Wunde laesst sich nicht verbinden!
Diejenige im Busen ist geheilt,
Doch auf dem Herzen wird sie immer brennen!
Jerusalem, du mein Jerusalem!
Ewige Wunde unseres Vaterlandes!
Im Herzen brennst du mich unauslaeschlich!
(Stoehnt wieder und ringt die Haende.)


Tirza
Wenn deine Wunde jetzt geheilt schon ist,
So stehe auf, und gehe zur Arbeit wieder!

Der Mann
Was habe ich zu tun? Wofuer? Womit?
Ich habe weder Werkzeug noch Beduerfnis.

Tirza
Die Erde um die Stadt ist nicht verbrannt.
Du hast ein Schwert.
{Weist auf das Schwert mit abgeschlagener Klinge, das auf dem Boden neben dem Mann liegt.)

Mann
Was soll ich jetzt damit?
Ruine braucht keinen Schutz.

Tirza
Du sollst
Das Schwert zu Scharen schmieden. Es ist Zeit.
Auch die Ruine braucht deinen Schutz.
Denn kommt der Feind und pfluegt die Erde auf,
Besaet sie mit Getreide, birgt die Ernte
Und wird danach dein Volk mit Brot ernaehren,
Und so erobert er zum zweiten Mal
Auch ohne Schwert mit Scharen Palaestina.
Dann sagen laut alle Waisen und Witwen:
Heil dem und Segen, wer uns Brot gebracht!
Der Faule wird die Erde nicht besitzen.
Wes Brot und Arbeit sind, des ist auch Land.
So wird dies Land auch babylon'sches heissen.
Und die Ruinen, die sich in der Ferne
Dort schwarz abheben, werden allen fremd.
Wen soll dann auch jene Wunde schmerzen,
Die jemals hat Jerusalem geheissen?

(Der Mann richtet sich auf und hebt das Schwert.)

Der Mann
Wo soll ich denn mein Schwert umschmieden lassen?

Tirza
(weist auf das Feuer, das sich hinter den fernen Ruinen zeigt)
Gehe dahin, wo die Menschen sind lebendig.
Sie geben dir ihr lebensvolles Feuer.
Und wie in deinem Herzen eine Wunde glueht,
So lass auf jenem Feuer Eisen gluehen;
Lass moerderisches Schwert zum Arbeitszeug
Umwandeln, es mit Frost und Feuer haerten,
So wie ich jetzt auch dich gehaertet habe
 Mit Flammen und mit Kaelte meines Wortes.

Der Mann
Gesegnet ist das Wort, das die Seele haertet!

(Nimmt das Schwert unter den Arm und geht zu den Ruinen auf Feuer.)

Tirza
(singt)
Steh auf, Israel, mache dir Zelte!

Unter den Schlafenden beginnen einige, sich zu bewegen, jemand steht auf. Ein Alter meldet sich mit verschlafener Stimme.

Der Alte
Wer singt da in der Nacht?

Tirza
(singt)
Bereitet Wege
Fuer Gottes Macht, ebnet Pfade dem Geist!

Der Alte
Verdammt ist, wer Besiegte aufweckt,
Verdammt ist, wer den Sklaven stiehlt den Schlaf,
Ist's schlimmer noch, als wenn ein armer Bettler
Der letzten Brotkruste beraubt wird.

Tirza
Derjenige ist nur besiegt und Sklave,
Der sich ein Joch freiwillig auferlegt.

Der Alte
Ich trag kein Joch, ich will nur ruhig schlafen.

Tirza
Und welches Joch ist schlimmer dann als deines?
Das Joch aus Eisen trug einst Jeremia
Und meint', dass es am schlimmsten sei. Doch wenn
Er diesen deinen Schlaf nur sehen wuerde, -
Erstarrten Schlaf des Sklaven, - dann sein Joch
Erschiene ihm doch leichter als der Flaum
Verglichen mit den unsichtbaren Ketten.
Stehst du nicht auf aus dieser schweren Schande?
Erhebt sich nicht dein Kopf aus solcher Schmach?

Der Alte
Wozu? Wofuer soll ich denn aufstehen?

Tirza
Fuer Arbeit! Fuer dein Volk! Auch fuer dein Leben!
Damit die Sonne dich nicht faul findet,
Dass Freiheitsstunde dich nicht so antrifft,
So schaendlich eingeschlafen, Muessiggaenger!

Der Alte (irritiert)
Und du? Was machst du da?

Tirza
Ich wecke Menschen.

Der Alte
(legt sich bequemer hin, mit veraechtlichem Lachen)
Dann weck auch mich, wenn Freiheitsstunde kommt!

Tirza
Fuer dich sie kommt nie mehr. So magst du schlafen,
Ich finde einen lebendigen Toten.

(Schreit)
Hei, wer noch lebt auf diesem toten Schlachtfeld?

(Unter einem Baum ueber dem Jordan hoert man schwaches Klimpern der Saiten und eine schuechterne Stimme, die singt abgerissen, stockend, als ob sich an vereinzelte Liedworte und - weisen erinnernd.)

Die Stimme
"Wie Gold verdunkelt wurde... reines Silber
Gedunkelt ist und schwarz... Oh Tochter Zion!
Wer gibt die Traenenfluten meinen Augen?.."

Tirza
(Geht auf jene Stimme zu und bleibt neben dem Saenger stehen, der die Saiten auf einer kleinen, nachlaessig reparierten Harfe beruehrt. Sobald sie an ihn herankam, verstummte der Saenger, beugte sich und legte die Harfe auf den Boden.)
Warum singst du so schuechtern?

Der Saenger
Ich kann mich
An dieses Lied noch immer nicht erinnern...
Ich wollte "Jeremias Klagen" singen,
Doch kann das nicht... versagt mir mein Gedaechtnis.

Tirza
So lass es nun und dichte eignes Lied!

Der Saenger
Was sagst du, Schwester! Waere das zu frech!
Weisst du denn, wessen Harfe ich besitze?
Von Jeremia selbst! Und ihm zuteile
Einst war sie von Jesaja noch gegeben,
Der hatte sie von Koenig Davids Haus, -
Kann sein, noch David spielte diese Harfe,
Zu Gottes Ehre seine Psalmen singend!
Die Psalmen Davids kenne ich noch gut,
Doch in Unehre soll man sie nicht singen.
Vollzog sich nicht Jesajas Prophezeiung, -
Denn weder Frieden, noch Messias kam,
So moegen seine Lieder in Vergessen
Fuer immer gehen, um uns nicht zu reizen...
Doch Jeremia, der Ruinen Saenger,
Er moege in geruehmten Saiten leben.
Wenn du nur hoertest, wie er hier geweint
Mit lauter Stimme mitten in der Oede!
Es echoten Ruinen seine Klagen,
Mit unserem Propheten weinten Steine.
Und als sie ihn in seinem Joch gefuehrt
Schon aus Jerusalem in die Gefangenschaft
Schlug er die Harfe gegen den zerstoerten
Altar und warf sie nieder, schon zerschmettert.
So hat sie lange, lange dort gelegen,
Bis ich, in kalter Asche Kohle suchend,
Den ruhmbedeckten Saengerschatz gefunden.
Ich legte alle Bruchstuecke zusammen,
Vernietet und geklebt, - klein ist die Harfe,
Doch hat sie keinen Span auf sich nicht heilig.
Auch Saiten fand ich - nur nicht alle, leider, -
Sie waren so gedreht und furchtbar angerostet.
Ich reinigte sie, machte sie gerade,
Spannte sie an - und die Harfe laesst sich spielen.

(Beruehrt die Saiten, um deren Stimme zu zeigen.)

Die Stimme ist zwar schwach... Doch diese Saiten
Erklangen einst in allerreinsten Haenden
Der heil'gen Saenger, unserer Propheten.
Hier gibt es keine einz'ge Saite neu,
Nur alte... schade, viele sind verloren.

Tirza
Vermisste Saiten, mangelhafte Worte!
Einst hoertest du, wie Stimme des Propheten
Erwiderten Ruinen. Und ich hoerte,
Wie du, der Saenger, zum Ruinenecho
Nur werden wolltest... Gib die Harfe her!

(Nimmt die Harfe aus den Haenden des verwunderten Saengers.)

Die heilige Ruine dient der Schande!
Die Saiten, einst lebendig, stoehnen schwer
Von toten Haenden toedlich angeruehrt;
Lebendig Wort, wie Wind im toten Laub,
Im abgeschwaechten Munde kraftlos raschelt.
Ich werde dich befreien, Heiligtum,
- Der Herr kann noch ein Wunder offenbaren,
Da; eine wuerdigere Hand dich findet,
Die nicht nur deine Stimme auferweckt,
Auch deine Seele. Und einstweilen - ruhe!
Der heil'ge Fluss mag dich auch sicher bergen!

(Breit mit der Hand ausgeholt, wirft die Harfe weit in Jordan.)


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