На руинах - 1

Lesja Ukrainka

Auf den Ruinen

Dramatisches Gedicht

Aus den Zeiten der ersten Babylonischen Gefangenschaft

Helle Nacht mit dem vollen Mond. Die Jordan-Ebene dehnt sich weit aus, am Horizont schimmern die Berge Morija und Zion, deren silberne Gipfel im Mondlicht flimmern. In der Tiefe, jedoch nicht so weit wie die Berge, heben sich schwarz die Ruinen von Jerusalem ab, hie und da flackert es unter den Ruinen, dort wohnen wohl noch Leute in irgendeinem verlassenen Haus. Durch die Ebene wandern Menschen. Sie sind aus verschiedenen Orten zusammengekommen - manche aus Judaea, andere aus Samaria. Die einen erbauten sich Huetten aus Steinen, die von den Ruinen gesammelt wurden, und von Jordan-Schilf; die anderen zuenden kleine Lagerfeuer an, an denen sie sich waermen und etwas kochen; noch andere graben Gruben und beerdigen darin Knochen, gefunden auf dem alten Schlachtfeld.
Man hoert Seufzer, gedaempftes Schluchzen und unterdruecktes Fluestern derjenigen, die nicht schlafen, aber die meisten schlafen doch, der eine in einer unbedeckten Huette, der andere einfach mitten im Felde, in Lumpen eingehuellt, Gesichter nach unten, um vom Mond nicht geweckt zu werden. Jene Schlafende scheinen getoetet zu sein, und das macht das Feld noch trauriger - es sieht aus, als ob es nach einer Schlacht mit den Leichen bedeckt sei.
Am Rande drei Gestalten - eine Frau, ein Maedchen und ein junges Maedchen - sitzen traurig am erloschenen Lagerfeuer. Die Frau schaukelt auf den Armen ein kleines Kind, das Maedchen spinnt Wolle, das junge Maedchen flicht einen Korb aus Schilf


Prophetin Tirza
(verlaesst die Ruinen Jerusalems und naehert sich jenen drei)
Seid ruhig, Schwestern!

Frau
Ruh' sei auch mit dir!
Wir kommen all zur Ruhe... und zum Tod.

Tirza
Warum zum Tod? Es lebt Gott unser Herr,
Und wir leben auch.

Frau
Auf den Ruinen!
(Lehnt ihr Gesicht an das Kind und weint. Das Kind schluchzt im Schlaf)

Tirza
Gib deinem Kleinen Traenen nicht zu trinken,
Stille es nicht mit bitterer Milch der Knechtschaft.

Maedchen
Wo finden andere Speise die Verlassenen?

Tirza
Warum meinst du, dass ihr verlassen seid?

Maedchen
Mein Bruder ist in Assyrien, in Ninive.

Junges Maedchen
Mein Vater ist ein zweites Jahr in Babylon.

Frau
Mein Mann begab sich weit nach Phoenizien.

Tirza
Ihr seid doch drei, das Kind ist unter euch,
Wer selber nicht verlaesst, ist nicht verlassen.
Lasst Feuer brennen, bis der Morgen kommt,
Damit ihr bei der Arbeit besser seht.

Maedchen
(legt ihre Spindel beiseite)
Ja, uns're Arbeit... sie ist doch umsonst.
Was spinne ich, wem mache ich dann Kleider?
Mein Bruder dient im Feindesheer unfrei,
Er wird vielleicht dort als ein Knecht umkommen.
Fuer wen soll ich denn sorgen?

Tirza
Fuer dich selbst,
Dann wirst du frei - auch vor den Feinden. Dann
Sollst du nicht fragen: "Wer denn gibt mir Kleidung?"
Der Feind dann sagt auch nicht: "Ich kleide dich!"

Das Maedchen nimmt die Spindel und beginnt wieder zu spinnen.

Tirza
(zum jungen Maedchen, das - die Augen zugekniffen - ihre Haende ueber der Arbeit zusammenfaltet)
Was sitzt du, hast du die Arbeit schon beendet?

Junges Maedchen
Was soll ich enden? Andere Maedchen flechten
Die Koerbe, und darin sie tragen Erde
Zu Gae;bern ihrer Vaeter, die gefallen
Das Heiligtum verteidigend. Doch mir
Ist auch kein Grab geblieben! Denn mein Vater
Ist weit in Babylon. Und Menschen sagen,
Dass er dem Baal einen Tempel baut.

Tirza
Und du kannst eine neue H;tte bauen,
So kuemmere dich um Wohnung, nicht um Grab,
Damit du fremd nicht wirst in deiner Heimat.
Dann fragst du nicht: "Wer wird mir Obdach geben?"
Der Feind sagt nicht: "Ich bin jetzt dein Beschuetzer!"
Beeile dich, bring' Lehm und Steine her,
Mach' eine Huette, nah sind kalte Naechte!

Das junge Maedchen macht sich rasch an die Arbeit.

Tirza
(zur Frau)
Dein Lagerfeuer brennt nicht mehr, warum?

Frau
Wozu soll es denn brennen? Frau sorgt
Fuer ihren Herd, wenn sie ihr Haus hat.
Und wo ist mein Zuhause? Im Felde?
Mein Mann liess sich in Phoenizien nieder,
Im fremden Land will er sich Gold gewinnen...
Fuer wen dann soll ich hier mein Feuer hueten?

Tirza
(weist auf das Kind)
Fuer dieses und fuer dich. Entzuende Feuer
Mitten in Felde, das dein Kind erwaermt,
Und stille es, lass es nicht klaeglich weinen
Am trocknen Busen, lass es doch nicht zittern
Vor Kaelte unter Fetzen. Und du auch
Sollst dann nicht jammern so, als seist du hilflos:
"Wer gibt mir meinen Hausherd, mein Haus?"
Damit der Feind nicht sagt: "Komm doch zu mir!"

Die Frau beginnt das Lagerfeuer zu wenden, in einer Minute flammt es auf und freundliches Licht erleuchtet die drei Frauen und deren Arbeit.

Tirza
(sich drehend, von ihnen zu gehen)
Seid ruhig, Schwestern!

Alle drei
Ruh' sei auch mit dir!
Gepriesen seist du, die du Hoffnung bringst!


Рецензии
Глубокая работа. с уважением!

Жюр22   06.01.2023 06:37     Заявить о нарушении
Спасибо, Юрий.

Надия Медведовская   06.01.2023 10:37   Заявить о нарушении
На это произведение написаны 2 рецензии, здесь отображается последняя, остальные - в полном списке.