Advokat Martian - 2

Martian
Gruess dich, Constantius.

Constantius
Gruess dich, Patron.

Martian
So unerbittlich ist mein treuer Mime,
Mit ihm kann  ich die Arbeit nicht verschlafen.
(setzt sich auf den Sessel)
Hast du geprueft, was kommt nun an die Reihe?

Constantius
Ja, heute haben wir dieselbe Sache
Anlaesslich der Beschlagnahme des Grundstuecks,
Das ehemals unsrer Kirche angehoerte.

Martian
Gut. Ich habe
Schon etwas ueberlegt fuer die Verteidigung.
Und du schlag mal in den Gesetzen nach,
Wie lang sind der Beerdigungsgesellschaft
Die Rechte auf den Boden vorbehalten,
Den sie fuer ihre Zwecke einst erworben,
Wenn auch spaeter nicht mehr ausgenutzt.

Constantius nimmt einen Codex aus dem Regal, setzt sich auf den Schemel und sieht die Paragraphen durch. Martian nimmt eine der auf dem Tisch liegenden Rollen und liest aufmerksam.

Constantius
(unentschlossen, die Augen niedergeschlagen)
Patron, es gibt noch einen Fall privatim.

Martian
Was meinst du?

Constantius
Deinen Fall.

Martian
Wieso denn meinen?

Constantius
Es handelt sich darum, dass deine Gattin...

Martian
(schroff)
Ich habe keine Gattin.

Constantius
Ja, verzeih mir...
Ich wollte sagen, gab es eine Nachricht,
Dass Tullia gegen dich gerichtlich klagte,
Sie fordert eine Haelfte deines Gutes –
Das solle naemlich ihr von dir geh;ren
Nach eurer Ehescheidung.

Martian
(offenbar ueberrascht, aber beherrscht sich)
Meinetwegen.

Constantius
Und willst du nicht Genaueres erfahren?

Martian
Erfahre ich schon aus der Vorladung.

Constantius
Ich hoerte, sie hat Deckung bei den Richtern,
Ihr Ehemann...

Martian
(trocken)
Das interessiert mich nicht.
Hast du das Noetige gefunden?

Constantius
Ja, Patron.

Die beiden lesen im Schweigen. Mittlerweile hoert man Stimmen hinter der Pforte gedaempft klingen , dann wird es stiller. Die Pforte oeffnet sich, der Waechter-Germane kommt von der Strasse ins Peristilum herein, reicht dem Mimen eine Tafel und zeigt ihm mit den Zeichen, er solle sie jemandem im oberen Stock weiterreichen. Der Mime nimmt die Tafel und begibt sich damit ins Tablinum. Der Waechter versucht, ihn anzuhalten, er sieht ihn aber wuetend an und schuettelt den Kopf. Der Waechter winkt mit der Hand und geht wieder hinter die Pforte. Der Mime tritt ins Tablinum ein und reicht Martian die Tafel, er selber bleibt an der Schwelle stehen.

Martian
Was soll"s? Von wem ist"s und fuer wen? Es fehlt
Die Unterschrift.
(liest)
„Ich warte auf dich
An jedem Tag, und gar in jeder Nacht.
Bei mir du wirst glueckselig. Lass dich kuessen
So fest, wie ich dich liebe“.
(zuckt die Schulter)
Unverstaendlich!
(Laechelnd)
Constantius, mag sein, das ist fuer dich?
Wenn ja, Verzeihung.
(reicht ihm die Tafel)

Constantius
(beruehrt den Gegenstand nicht)
Aber nein, Patron!
Fuer mich...das kann nicht sein, ich dir beteure!

Martian
Warum denn sich abwenden? Die Epistel
So artig abgefasst, und mit Elan.
(Fragt mit den Zeichen den Mimen, wo die Tafel herkommt. Dieser weist auf die Pforte und wiederholt jene Gesten, die der Waechter vor ihm gemacht hat.)

Martian
(schon verdriesslich)
Was fuer ein Unsinn!

Constantius
Bloss ein Witz, wahrscheinlich.

Martian
Der erste vom April ist heute nicht.
(Tritt zum Peristilum hinaus und spricht an der Schwelle zu Constantius)
Solange bist du frei. Ich ruf` dich spaeter.
Constantius mit dem Codex tritt aus dem Tablinum von der rechten Seite heraus.

Martian
(ruft, den Kopf aufgehoben)
Aurelia!

Aurelia
(meldet sich aus einem oberen Zimmer)
Ich komm gleich!
(Laeuft die Treppe  hinunter zu dem Vater. Aurelia ist ein junges huebsches Maedchen, in ihrer Stimme und Gestik zeigt sich etwas Nervoeses, Schroffes. )

Martian
Sag mir, Tochter,
Du weisst, von wem ist das?
(Zeigt ihr die Tafel)

Aurelia
(wirft auf sie  einen raschen Blick)
Ah!
(Reisst die Tafel  heraus, verbirgt sie in ihrer Kleidung und will schon zurueck laufen)

Martian
Halt!
(Aurelia bleibt stehen)
Woher
Du weisst, dass es fuer dich bestimmt? Der Brief
Hat keine Ueberschrift.

Aurelia
Ich dachte...wirklich....

Martian
(streng)
Es wundert mich, dass du dich so benimmst,
Als ob im Ginekeum aufgewachsen,
Wie eine Sklavin! Irgendwelche Briefe...
Da traut sich jemand, dich herbeizurufen
„An jedem Tag, und gar in jeder Nacht“...
Warum denn kann er offen nicht erscheinen,
Um ehrlich hier um deine Hand zu werben?
Es sei denn, er ist deiner gar unwuerdig,
Und weiss das selber?
Aurelia schweigt.
Sprich!

Aurelia
Das ist nicht „er“...

Martian
Wieso? Du machst wohl schlechte Scherze!

Aurelia
Nein,
Ich scherze nicht...das hat geschrieben...Mutter.

Martian
(wie vom Blitz geruehrt)
Was du nicht sagst?! So meuchlerisch gehandelt!

Aurelia
So darfst du ueber Mutter doch nicht sprechen!
Ists wirklich so gemein, dass sie mich liebt?
Und ich...ich liebe meine Mutter auch!
Sie will seit langem, dass bei ihr ich lebe,
Und ich schon laengst zu ihr gegangen waere,
Wenn nur ich diese Kinderangst nicht haette,
So schmachvoll!
(Ihr Ausbruch loest sich im Weinen)

Martian
Ja, erst jetzt ich sehe wohl,
Das war mein  Fehler, als ich meinerzeit
All ihre Frevel dir verheimlicht hatte.

Aurelia
(hoert auf zu weinen, spricht ruhiger)
Ist mir egal. Ich hab euch nicht zu richten.
Mag sein, dass gegen dich sie schuldig ist,
Doch mir hat sie nichts Boeses zugefuegt.

Martian
Sie hat dich doch als kleines Kind verlassen.

Aurelia
Dein Haus musste damals sie verlassen.
Dass ich bis jetzt hier bleibe, daran bist
Du, Vater, schuld, nur du.

Martian
(zornig)
Besinne dich!
Ich sei da schuld, dass du zu hause bist,
Und brauchst aus Fremden Gnade nicht zu leben,
Das, meinst du, meine Schuld?

Aurelia
Ich, Vater, lieber
Schon schweigen werde, um dich nicht zu aergern.

Martian
Jetzt hilft dein Schweigen nicht. Mit deinen Worten
Hast du mir schwere Kraenkung zugefuegt.
Nun muessen wir das bis zum Ende klaeren.
Wenn du es willst, mein Haus gegen das
Von neuem Ehemann deiner Mutter tauschen...

Aurelia
Was ist schon dran? So tun ja alle Frauen.
Und wuerde ich heiraten, sollte ich
Zum Haus des Schwiegervaters uebersiedeln.
Das wuerdest du mir auch uebel nehmen?

Martian
Das ist nicht gleich.

Aurelia
Wo liegt der Unterschied?
Es sei denn, alle Maedchen wuerden nur
Aus Liebe heiraten. So ist es nicht,
Denn viele tun dies dafuer nur, um sich
Vom Elternhaus endlich los zu machen.
Und wenn das Haus zum Verlies geworden...

Martian
Das meinst du wirklich, Tochter?

Aurelia
Wirklich, Vater.
Sieh dir doch naeher meinem Leben an:
Alleine tagelang...und selbst die Diener
Entweder taubstumm, oder fremdsprachig.
Du hast mit Absicht solche ausgesucht,
Damit sie nicht belauschen und nicht plaudern,
Dass niemand in der Stadt erraten kann,
Dein Haus haelt sich an die Christensitten...

Martian
Du weisst, ich muss mich hueten.

Aurelia
Weiss ich, ja.
Das Wissen macht mein Leben doch nicht leichter.
Wahrscheinlich, musstest du auch  mich verbergen.
Mit keiner Christin darf ich mich befreunden,
Die Kirchenpredigt darf ich auch nicht hoeren,
Damit ich nicht zu eifrig bin und dich
Durch unbedachte Reden nicht verrate.
Und wenn ich mich den Heiden naehern wuerde,
Das wuerde dir noch weniger gefallen.
So muss ich wie in einer Wueste leben.
(mit bitterem Lachen)
Fuer volle  Aehnlichkeit auch unsern Hof
Laesst du mit Sand bestreuen und mit Dornen
Bepflanzen! Gaenzlich Wueste!

Martian
(zart)
Liebe Tochter,
Was koennte ich darauf schon erwidern?
Nur eines, dass noch viele junge Maedchen
In unserer Gemeinde auch so leben
Wie du, aus freiem Willen sie verzichten
Auf alle weltlich Freuden, alle Prachten.

Aurelia
So kann man fuer den Lebensglauben leben,
Und ich muss fuer den Toten umsonst darben.

Martian
(entsetzt sich)
Du sprichst so furchtbar... fuer den Toten, sagst du?
Glaubst du nicht mehr an Christus?!

Aurelia
(traurig)
Doch, ich glaube.
Mein Glauben ist aber tot.

Martian
Wie soll
Ich dich verstehen? 
Das ist unerhoert!

Aurelia
Ich weiss auch nicht, wem soll ich angehoeren –
Dem hohen Himmel oder bloss der Erde.

Martian
Aurelia!
Mit solchen Reden toetest
Du mich!

Aurelia
Ich werde schweigen,Vater!
(Beugt sich im traurigen Gehorsam,
die Arme gesunken.)

Martian
Nein, Tochter, schweige nicht, darum ich flehe!
Sag alles mir, bekenne dich, dass ich
Von deiner Geistesschwaeche weiss genau!
Vielleicht, man kann das heilen.


Рецензии