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Frueher lebte sie ganz allein im Getose und Gewimmel der Grossstadt.
Ihre Arbeit war so trocken. Abends, wenn sie sich in die Decke einkuschelte, zuechtete sie seltsame Worte wie Orchideen. Sie wuchsen in ihr zu Zeilen, Zeilen zu Strophen, Strophen zu Gedichten.
Staendig hatte sie Angst, die Worte in ihr wuerden vertrocknen, verwelken, vergehen wie Blumen.
Eines Morgens kam ein grosses Unwetter, der Wind fegte vertrocknetes Herbstlaub weg.
Im Halbschlaf stand sie am Gleis 15 der S-Bahn. Der Wind raste, sie hoerte seinen Schrei: „Das Segelboot kommt am Gleis 15 an“. Das erinnerte sie an eine Erzaehlung ihrer Kindheit, in der eine Traeumerin von ihrem Traumschiff mit roten Segeln in ihre Traumwelt fortgetragen wird.
Von alleine spannte sich ihr Regenschirm auf wie ein rotes Segel. Und sie schwebte auf Luftwellen davon. Der Wind trug sie schneller, immer schneller davon, so dass sie die Erde unter sich wie das Blaettern im Wimmelbuch vernahm. Letzlich verfing sich ihr rotes Segel in den Kronen maechtiger Baeume. Sie klatschte gegen eine Lichtung. All die seltsamen, von ihr gezuechteten Worte fielen heraus . Nun war sie von Worten umgeben: ein Wald aus Worten, eine Wiese aus Worten, Erde, Blumen, Gras aus Worten. Sie umgab sich mit schuetzenden Waenden aus Worten. Worte brannten in ihrem Kamin, ohne zu verbrennen. Sie atmete Worte, sie trank Worte. Sie wurde selbst erst zu einer Zeile, dann zu einer Strophe, dann zu einem zarten, leisen Gedicht.
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