Demokratie ist Zumutung

Bundestagspr;sidentin Kl;ckner: „Demokratie ist Zumutung, Handwerk – und hartes Gesch;ft“
Artikel von Mona Jaeger • 2 Std


Frau Bundestagspr;sidentin, es wird gerade viel ;ber das Stadtbild gesprochen, aber wir w;rden mit Ihnen gerne mit dem Parlamentsbild anfangen – was pr;sentiert sich da vor Ihnen im Plenum?

Ich sa; auch schon in jungen Jahren als Schriftf;hrerin vor den Abgeordneten, und seit dieser Zeit hat sich viel ge;ndert. Die Blockbildung an den R;ndern ist gro;, zehn Prozent der Abgeordneten ganz links und rund 25 ganz rechts. So wird nicht nur leicht sichtbar, ob es Mehrheiten gibt. Auch die Kluft zwischen den Fraktionen ist sehr auff;llig.


Was f;llt Ihnen noch auf?

Ich sehe, wie voll die Besuchertrib;nen sind. Wir sind ein offenes Parlament, ein Besuchermagnet, das ist erfreulich. Es gibt aber das Paradox, dass wir zwar mit zwei Millionen Besucherinnen und Besuchern im Jahr das meistbesuchte Parlament der Welt sind. Trotzdem vertrauen laut einiger Umfragen nur etwa 20 Prozent der Deutschen der Institution Bundestag. Wir m;ssen als Pr;sidium und Fraktionen dieses Vertrauen wieder ausbauen.

Was hat der Verlauf von Debatten, was haben die Kl;fte im Parlament mit diesem Vertrauens-Paradox zu tun?

Die Arbeit der Abgeordneten hat sich sehr ver;ndert, genauso wie die Debatten sich verlagert haben. Der Bundestag ist f;r manche nicht mehr der Ort des Austauschs von Argumenten. Diese B;hne der Demokratie wird immer mehr genutzt als B;hne f;r Tiktok.

Woran zeigt sich das?

Die Dynamik von Plenardebatten ;ndert sich. Fr;her war es wichtig, wo man genau auf der Rednerliste steht, um wirksam seinen Punkt zu machen. Da wurden die Pl;tze manchmal bis zum letzten Moment hin und her geschoben. Jetzt verschiebt sich h;ufig der Fokus. Es geht oft darum, ;berhaupt irgendwann eine Aufnahme am Rednerpult zu bekommen, um sich mit aufgeregter Sprache selbst f;r Tiktok in Szene zu setzen.

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Wir sind aber nicht f;r uns selbst da. Es geht nicht ums Posen, es geht um Positionen. Wenn der gemeinsame Rahmen degradiert wird durch Aktivismus wie auch Shirts mit Botschaften, Fahnen oder inszenierte Emp;rung, dann wird es schwierig. Das sp;ren die B;rger. Ich bekomme so viel Zustimmung in Zuschriften daf;r, dass wir hier jetzt f;r mehr Klarheit und Ordnung sorgen.

Das rechtfertigt f;r Sie auch, mit der Gesch;ftsordnung so harte Standards zu setzen bis hin zur Kleiderordnung? Daf;r werden Sie ja kritisiert.

Und gelobt. Meistens kritisieren doch die, die es trifft. Wir haben klare Argumente auf unserer Seite: Wenn wir zum Beispiel Kopfbedeckungen erlaubten, w;ren der Kreativit;t hier keine Grenzen mehr gesetzt, vom Stahlhelm bis zum Basecap. Davon halte ich nichts. Wir sind das Parlament des Wortes, und wenn jemand gerade keine Redezeit hat, darf er sich nicht selbst Aufmerksamkeitszeit holen, indem er zum Beispiel Plakate hochh;lt.

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Sie haben die Bl;cke links und rechts angesprochen. In dieser Legislaturperiode gab es schon deutlich mehr Ordnungsrufe als in fr;heren Zeiten – wegen dieser Blockbildung, oder weil Sie strenger sind?

Zum einen sind diese Bl;cke kommunizierende R;hren f;r ihre eigene Community, das pr;gt den Verlauf von Debatten. Bislang gab es bereits 23 Ordnungsrufe, 20 davon an die AfD, drei an die Linke. Es gibt daher den Wunsch im Haus, eine Spirale aufzuhalten, in der es immer mehr Versuche gibt, aufzufallen oder zu provozieren. Deshalb haben wir zum Beispiel auch Aufkleber auf Laptops verboten. Wir debattieren mit dem Wort, nicht mit Symbolen. Da wird viel ausgetestet von manchen Abgeordneten. Wir sorgen hier als Pr;sidium aber f;r Klarheit, setzen die Regeln konsequent um, die f;r alle gelten. Und ganz pers;nlich: Wir nennen uns das Hohe Haus, und ich will, dass wir dem Namen gerecht bleiben oder werden.

Aber die Debatten wird man nicht nur mit Versch;rfungen einer Gesch;ftsordnung verbessern k;nnen.

Nein, dazu geh;rt mehr. Wir sollten uns nicht immer das Schlechteste unterstellen, zum Beispiel. Schon gar nicht in der Mitte. Wenn in der Mitte schon jeder als Demokratiefeind hingestellt wird, nur weil er mal nicht meine Meinung teilt, dann haben wir ein Problem. Oft wird gleich ein Bekenntnis zur eigenen Gesinnung erwartet, und wenn das nicht kommt, ist man rechts- oder wahlweise linksextrem. Das ist Ausdruck einer gewissen Denkfaulheit, wenn es nicht mehr um das Argument, sondern nur noch um Haltung geht.

Was meinen Sie?

Nehmen wir das Parteienverbot. Im Abitur hatte ich Sozialkunde Leistungskurs, und ich wei; noch genau, wie wir da ganz unvoreingenommen Pro- und Kontra-Argumente erarbeiten mussten. Man konnte danach zu unterschiedlichen, legitimen Entscheidungen kommen. Wenn man heute nur einmal Argumente nennt, warum aktuell ein Verbot der AfD pro­blematisch sein k;nnte, wird sich nicht mit diesen Argumenten auseinandergesetzt. Stattdessen gibt es einen Shitstorm und den Vorwurf der Demokratiefeindlichkeit.

Hatten Sie sich damals auch f;r Kontra entschieden?

Der entscheidende Punkt liegt doch im Konkreten: Ein Verbotsverfahren muss juristisch fundiert und absolut ;berzeugend sein. Man muss vom Ende her denken. Andernfalls nimmt die Glaubw;rdigkeit unserer wehrhaften Demokratie Schaden.

K;rzlich wurde das Auto des AfD-Bundestagsabgeordneten Bernd Baumann in Hamburg angez;ndet. Der Staatsschutz vermutet eine politische Tat, es gibt ein Bekennerschreiben von Linksextremen. Das Erschrecken ;ber die Tat scheint verhalten zu sein.

Der Linken-Politiker Ferat Ko;ak erlebte vor einigen Jahren einen rechtsextremen Brandanschlag auf sein Auto. Das nebenstehende Haus h;tte in die Luft fliegen k;nnen, weil da die Gasleitung in der N;he war. Ich habe mit ihm und Herrn Baumann gesprochen. Und ich habe klargemacht: Beides sind furchtbare Taten. Es gibt keine vermeintlich gute oder richtige Gewalt in unserer Demokratie. Ich habe das deshalb in einer Plenarsitzung vergangene Woche zum Thema gemacht. Weder Adressat noch Absender von Gewalt d;rfen entscheidend sein, sondern die Tat als solche ist es. Und da muss man sich als Demokraten doch einig sein!

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Verrohung der Sprache im Bundestag und der Gewalt auf der Stra;e?

Aus Worten werden Taten. Was man in manchen Internetblasen lesen kann, ist hammerhart. Das sind Gleichgesinnte, die sich hochschaukeln. Diese Blockbildung f;hrt zu der Frage: Mitlaufen oder nicht mehr dabei sein? Im Bundestag gibt es einen Schiedsrichter, die Sitzungsleitung. Den gibt es im Internet nicht.

Haben Sie diese Verh;rtungen auch bei der Stadtbild-Debatte wahrgenommen?

Die Verh;ltnism;;igkeit stimmt nicht mehr. Wenn man einem Bundeskanzler Rassismus unterstellt, relativiert man alle Rassisten. Es ist au;erdem eine b;sartige Unterstellung. Die Diskussion in der Bev;lkerung ist mehrheitlich eine andere, das zeigen Umfragen. Herrn Merz zu unterstellen, es gehe ihm beim Stadtbild um Hautfarbe – das hat keiner der normalen Leute gemacht.

Die Mehrheit hat schon verstanden, was er meint, das ist ja auch nicht so schwer. Denn sie erinnern sich, dass es mal Weihnachtsm;rkte ohne Sicherheitspoller gab und dass Parks nicht ab einer gewissen Uhrzeit geschlossen waren. Das ist weder rechts noch links, das hat auch keine Parteifarbe. Das ist einfach Fakt.

Merz sagte, man m;sse nur die T;chter fragen, die w;ssten schon, was er meine. Wissen Sie als Frau, was er meint?

Nat;rlich. Es hat sich etwas ver;ndert. Da ist ein Gef;hl der Unsicherheit, aber das sagen auch die Kriminalit;tsstatistiken.

Harte Kritik an Merz kam auch aus der SPD. Das ist nicht das einzige Thema, wo es zwischen den Koalitionspartnern hakt. Braucht die CDU deswegen einen anderen Umgang mit der AfD, wie es etwa Peter Tauber k;rzlich vorgeschlagen hat?

Sie reden mit mir als Bundestagspr;sidentin. Deswegen vergebe ich keine Haltungsnoten f;r die Regierung. Ich will nur daran erinnern, dass Demokratie eine Zumutung ist, aber auch Handwerk. Und ein hartes Gesch;ft. Koalitionen bedeuten, dass Menschen mit unterschiedlichen ;berzeugungen zusammenkommen m;ssen. Es gibt Schnittmengen, aber man hat seine politische DNA nicht einfach miteinander gleichgeschaltet. Es kommt auf den Willen aller Beteiligten an, auch den eigenen Leuten zu erkl;ren, dass man in einer Koalition nicht das gesamte Wahlprogramm durchsetzen kann. Grunds;tzlich ist es durchaus sinnvoll, dass man sich an das h;lt, was man im Koalitionsvertrag verabredet hat.

Und wenn die Schnittmengen mit der AfD gr;;er sein sollten?

Das ist nicht mein Thema.

Tritt die CDU noch souver;n genug auf angesichts der Konkurrenz von rechts und der Nervosit;t in den eigenen Reihen?

Noch mal: Nicht Einigkeit ist das Ziel von Koalitionsregierungen, sondern Einigungsf;higkeit. Es muss f;r jede Seite Raum f;r Profilierung geben und einen Raum des Miteinanders, festgehalten im Koalitionsvertrag. F;r die Union sind Sicherheit, legale Migration und wirtschaftliche St;rke sehr wichtige Themen.

In Sachsen und Th;ringen regieren CDU-Ministerpr;sidenten ohne eigene Mehrheit. Es ist m;hsam, aber klappt irgendwie. Der th;ringische CDU-Fraktionschef sagt sogar: „So wird die parlamentarische Diskussion wichtiger.“ Der Umgang miteinander werde auch besser. W;rde eine Minderheitsregierung Ihrem Ansinnen nach besseren Debatten vielleicht helfen?

Man muss aus jeder Situation das Beste machen. Die B;rger w;nschen sich Stabilit;t, und die bekommt man am ehesten mit verl;sslichen Mehrheiten.

Ist das so? Die B;rger st;rken ja immer mehr disruptive Kr;fte.

Die B;rger sind sehr heterogen. Die Individualit;t gibt man aber schneller ab, wenn man im vermeintlichen Kollektiv etwas ablehnt. Da ist man sich schnell einig. Trotzdem hat der Rentner oft noch ein anderes Interesse als der Student. Schwieriger ist es, gemeinsam f;r etwas zu sein. Man will modern sein, aber das Vertraute auch sch;tzen. Deswegen bin ich in einer b;rgerlich-konservativen Partei. Ich wei;, es muss Ver;nderungen und Modernisierungen geben. Aber ihr Tempo muss so gestaltet werden, dass sie den Schrecken f;r die Menschen verlieren.


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