Vorwort zu Buch-1 bei Elke Libre, 2018
Jonathan Swift hat mit seinen beruehmten "Gullivers Reisen" unzaehlige Leser in aller Welt in den Bann einer imaginaeren Insel namens Liliput und der dort lebenden Liliputaner, gezogen.
Der US-amerikanische Autor Yuri Slobodenyuk aka Yury Lobo ist von der skurrilen Geschichte mit ihren winzigen Menschen ausserordentlich fasziniert.
So sehr, dass er das "Liliputin" (Mehrzahl: Liliputins) als treffende Bezeichnung f;r eigene ungewoehnliche Wortspiele waehlte.
Mit ihnen kreierte Lobo nach eigener Aussage eine neue epische Kurzform der modernen Literatur, die wohl dem herkoemmlichen Aphorismus am naechsten kommen duefte.
Aphorismusfreunde deutscher Zunge werden vielleicht Aehnlichkeiten mit den "Falsch zugeordneten Zitaten" des deutschen Kabarettisten Marc-Uwe Kling vermuten, der jeweils einer Person seiner Wahl ein bereits bekanntes Zitat unterschiebt.
Yury Lobos Wortspiel-Schoepfungen unterscheiden sich davon gravierend:
Der Autor formuliert seine eigenen Gedankenblitze als pointierte Kurzzitate, die - wie jeder gute Aphorismus - entweder auf einer Antithese oder einem wortspielerischen Paradoxon beruhen.
Damit nicht genug. Der russisch-ukrainische Muttersprachler Slobodenyuk - ebenso des Deutschen wie des Englischen maechtig - jubelt sein jeweiliges Liliputin auch noch einer bestimmten Person der Zeitgeschichte (einem Liliputinisten) unter.
Auf den Begriff Anachronismus verzichtet der Autor dabei absichtlich. Denn das gibt ihm die Moeglichkeit, obendrein seinen Senf zu Weltereignissen dazuzugeben, die laengst pass; sind.
Lobo legt seinen Protagonisten Saetze in den Mund, die diese aufgrund ihres Charakters, ihres Lebenslaufs und ihrer Rolle in der Weltgeschichten genauso geauessert haben ... koennten!
Getan haben die anscheinend Zitierten genau das jedoch nie.
Mit solchen Tricks und Kniffen gibt Yury Lobo seinen, in aller Regel bereits verstorbenen Liliputinisten zudem die Chance, die Gegenwart zu kommentieren.
Mit anderen Worten:
Die Liliputins existieren in einem fast Einsteinischen Zeitraum, in dem sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig als eine ungeteilte Einheit entwickeln. Keiner der Protagonisten stirbt als Liliputinist. Alle sind ewige Zeitgenossen der Weltgeschichte.
So werden die Liliputins fuer den Leser zu den Trojanischen Pferden unter den Aphorismen. Ihr Schoepfer, tarnt seine eigenen Aphorismen, indem er dem Leser suggeriert, dass die hier formulierten Gedanken, Lebensweisheiten und Urteile von anderen stammen.
Yury Lobo wendet sich mit seinen originellen Liliputins an (Mit)Denker und (Mit)Wisser.
Das Wortspiel, die Pointe des jeweiligen Schein-Zitats erschliesst sich um so schneller, je besser sich der Leser in der vergangenen Welt des falsch Zitierten und in der Gegenwart auskennt.
Mit erlaeuternden Randglossen hilft der Autor zudem seinen Rezipienten auf die Spruenge.
Wer sich auf diesen literarischen Galopp einlaesst, der wird mit Lesevergnuegen ebenso wie mit Erkenntnisgewinn belohnt und erkennen: Liliputins sind ... niemals artig, mitunter abartig, oft boesartig, aber immer einzigartig.
Elke Liebre
2018
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