Spaghetti-Taktik
Die Welt wird komplexer, Sicherheiten verschwinden. In einem solchen Klima kann es schwerfallen, Entscheidungen zu treffen und Pl;ne zu machen – auch im eigenen Leben. Abhilfe schaffen kann eine Technik aus dem Management: die Spaghetti-Taktik.
Wie stellt man sicher, dass die Spaghetti perfekt Al dente gelingen? H;lt man sich akribisch an die Zeitangaben auf der Packung? (Meiner Erfahrung nach sind die oft angegebenen acht Minuten nie lang genug.) Schl;rft man eine viel zu hei;e Nudel, um die Bissfestigkeit zu kontrollieren? Oder wirft man die Nudel an die Fliesenwand, um zu sehen, ob sie kleben bleibt?
Das Wasser im Topf droht, ;berzukochen
W;hrend ich beim Kochen die Schl;rf-Methode bevorzuge, versuche ich mich in anderen Bereichen – metaphorisch gesprochen – am Nudelwurf. Also an der Spaghetti-Taktik: Man wirft – und schaut, was bleibt. Im Management eine (teilweise verp;nte) Arbeitsweise, um etwa Ideen zu evaluieren und Prozesse zu vereinfachen. Aber in ihrem inh;renten Chaos liegt ihr Potential. Denn sie passt in unsere sich permanent ver;ndernde Welt. Das Wasser im Topf – bleiben wir bei der Pasta-Metapher – droht ;berzukochen.
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Was vor einigen Jahren noch selbstverst;ndlich schien (Jahrzehnte in einer Firma arbeiten, eine relativ sichere Rente haben, ein Haus bauen), r;ckt gef;hlt in weite Ferne. F;r welche Stelle soll ich mich bewerben? Konkurriere ich theoretisch nicht mit Tausenden? Dann habe ich wohl eh keine Chance. Wozu es also versuchen?
;Wenn die Nudel nicht haftet: nachjustieren
Ich wei;, dass es in der Generation meiner Eltern normal war, ungez;hlte Bewerbungen rauszuschicken f;r ein Jobinterview. Wir, die Gen Z, haben die Qual der Wahl. Das erfordert Ideenreichtum und Mut. Und durch die Nudel-Taktik kommt man vom Zweifeln ins Handeln; sie l;dt dazu ein, Dinge einfach zu probieren: Die Bewerbung f;r den Traumjob wird abgeschickt und am besten noch ein paar mehr. Dann hei;t es abwarten. Kommt eine Zusage, wunderbar, alles Al dente. Wenn keine haftet, hei;t es nachjustieren.
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Bei meiner Studienbewerbung bin ich so vorgegangen. Die Bewerbungsfristen ziehen sich lang hin, ebenso die Ungewissheit: Habe ich einen Studienplatz? Wo werde ich die n;chsten Jahre leben? Noch habe ich nicht von allen Hochschulen Feedback zu meiner Bewerbung bekommen. Aber eine Nudel haftet vielleicht schon mal: Es geht weiter, irgendwie. Das macht das Warten ertr;glicher.
Hilfreich, aber kein Erfolgsgarant
Es muss auch nicht immer der gro;e, lebensver;ndernde Nudelwurf sein. Ich habe klein angefangen: Ich startete den Versuch, per App eine neue Sprache zu lernen. Oder: Um meine Wohnung auszumisten, sortierte ich jeden Tag vier Gegenst;nde aus. Ich testete, was kleben blieb, was sich gut anf;hlte. Die Yoga-Nudel blieb bei mir zum Beispiel nicht kleben; zur;ck in den Topf damit.
Die Spaghetti-Taktik ist nat;rlich kein Erfolgsgarant. Aber sie lehrt, Neuem mit Freude und Selbstbewusstsein zu begegnen. Bedienen wir uns also der Pasta-St;tze: Einfach mal ins Sieb greifen und zielen.
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