Versteckte Pollock Symbole

Neue Forschungen
Versteckte Pollock Symbole in seinen Troepfelbildern?
Jackson Pollock um 1950
Foto: Actionpress
Jackson Pollock um 1950

Text
Bernhard Schulz

Datum
24.02.2025


Wissenschaftler wollen in den Bildern Jackson Pollocks geheime Botschaften entdeckt haben. Kann diese Einsicht wirklich ;berraschen? Die abstrakten Gem;lde des US-Malers sind doch seit jeher voller gegenst;ndlicher Bez;ge

Vor Jahren kursierte das Ger;cht, dass in einen bestimmten, weitverbreiteten Teppichboden geheime Muster eingewebt seien. Manche wollten die Umrisse von Micky Maus erkannt haben, andere von Donald Duck. Ob dies blo;e Sinnest;uschungen waren, verursacht von einer ;berdosis Comic-Lekt;re oder auch einer ;berdosis ganz anderer Art, blieb naturgem;; offen. Was bei einem Teppichboden eher nach einem Jux klingt, hat bei einem Kunstwerk eine ganz andere Qualit;t. Unl;ngst trat ein Team von Wissenschaftlern mit der Vermutung an die ;ffentlichkeit, in Gem;lden von Jackson Pollock (1912-1956) seien figurative Elemente verborgen – Schemen, die sich beispielsweise als Figuren von Affen oder aber Clowns deuten lassen oder als Umrisse von Flaschen.

In einem Beitrag f;r die von der Universit;t Cambridge herausgegebene Zeitschrift "CNS Spectrums" schreiben die Autoren um den Psychiatrie-Professor Stephen M. Stahl, Pollocks Maltechnik habe "bewusst oder unbewusst verr;tselte Bilder verdeckt". Daf;r pr;gen sie den Terminus "Polloglyphen", ein Neologismus, der auf die m;gliche Bedeutungsvielfalt der so entdeckten Bildfiguren abzielt.

Schon immer haben Menschen in abstrakten Gebilden Abbildungen realer Gegenst;nde oder geheime Sinnzusammenh;nge erblicken wollen. Felsen, B;ume, besonders aber Wolken in ihrer stets fl;chtigen Erscheinung haben seit Jahrtausenden dazu angeregt, in ihnen Botschaften zu vermuten, die sich denjenigen offenbaren, die daf;r ein Sensorium haben, wie Schamanen, Magier und Priester.

Jungs Archetypen-Lehre d;rfte dem Maler bekannt gewesen sein

Jackson Pollock, der unbestrittene Held des Abstrakten Expressionismus im New York der 1940er-Jahre, hat mit den drip paintings, den Tr;pfelbildern seiner reifen Zeit, das Extrem einer ungegenst;ndlichen Malerei erreicht. Die auf dem Boden seines Ateliers auf Long Island liegende Leinwand hat er mit Farbe bespritzt, mit Schlieren bemalt oder hat Farbe aus T;pfen auslaufen lassen. Seine Malerei bestand nicht so sehr im Ergebnis der bemalten Leinwand als vielmehr im Malvorgang selbst, f;r den der Begriff des action painting gepr;gt wurde. Pollock war nicht der Maler vor dem Bild, sondern im Bild selbst.

Wie sollte bei einer solchen, dem blo;en, planlosen Vollzug gehorchenden Malweise irgendein Abbild eines realen Gegenstandes, irgendein Symbol im fertigen Bild versteckt sein? Und doch haben Pollocks Gem;lde stets zu Interpretationen herausgefordert. Sie sind schlie;lich alles andere als wahllos verteilte Farbe, sondern folgen erkennbaren Formvorstellungen, und sei es nur der, die Leinwand von einem Ende bis zum anderen gleichm;;ig zu f;llen; daher der Begriff des all-over. Zudem machen die drip paintings nur einen, wenn auch herausragenden Teil seines k;nstlerischen ;uvres aus. Verfolgt man die enorm dynamische Entwicklung von Pollocks Malerei ;ber ein Jahrzehnt vom Beginn der 1940er Jahre an, springt die Auseinandersetzung des K;nstlers mit den Problemen von Form und Inhalt ins Auge.

Pollock hatte zeitlebens mit psychischen Problemen zu k;mpfen. Bereits mit 25 Jahren begann er eine Psychotherapie bei einem Anh;nger von C.G. Jung. Dessen Lehre von den Archetypen und Symbolen wird Pollock zumindest in Umrissen bekannt gewesen sein, zumal sich im kulturellen Milieu New Yorks, in dem sich der aus dem Mittleren Westen stammende Pollock seit den fr;hen 1930er-Jahren bewegte, Psychologie und Psychoanalyse g;ngige Themen bildeten. Pollocks gro;e M;zenin Peggy Guggenheim, die ihm ab Mitte 1943 mit einem Monatsscheck die Existenz als freischaffender K;nstler erm;glichte, verkehrte ihrerseits im Kreis der Surrealisten, die das Un- und Vorbewusste zur Triebkraft ihrer Kunst erkl;rt hatten.

Mentale Disposition als wesentliches Element seiner Kunst

Inwieweit Pollock solche gedanklichen Ans;tze bewusst verarbeitete, wird in der Kunstwissenschaft immer wieder diskutiert. Die Annahme liegt nahe, bedenkt man allein die Titel, die Pollock seinen fr;he Arbeiten gegeben hat, in denen Figuration und Abstraktion gleicherma;en vorhanden sind, wie in "She-Wolf" von 1943, dem im Folgejahr ersten von einem Museum – dem MoMA in New York – angekauften Werk des K;nstlers. "Jeder Versuch meinerseits, etwas dazu zu sagen", ;u;erte Pollock zu diesem Gem;lde, "jeder Versuch, das Unerkl;rliche zu erkl;ren, w;rde es nur zerst;ren".

Die Autoren der jetzigen Studie wollen beispielsweise in dem Gem;lde "Ungl;ckliche K;nigin" von 1945, sobald man es um 90 Grad dreht, einen "angreifenden Soldaten mit einem Beil und einer Pistole mit einer Kugel im Lauf; einen Hahn im Picasso-Stil; einen Affen mit Brille und Wein; und eines der deutlichsten Bilder, den Engel der Barmherzigkeit und sein Schwert" erkennen, wie der "Guardian" aus der Studie zitiert.

Stephen M. Stahl und sein Team diagnostizieren bei Pollock eine bipolare St;rung. Dass Pollock Anzeichen einer solchen St;rung zeigte, ist unstrittig; nicht zuletzt seine heftigen Stimmungsschwankungen und sein vielfach problematisches Sozialverhalten wie auch, Ursache und Folge gleicherma;en, sein lebenslanger Alkoholismus. Diese mentale Disposition sehen die Autoren der Studie als wesentliches Element seiner Kunst: "Seine bemerkenswerte F;higkeit, diese Bilder vor aller Augen zu verstecken, k;nnte Teil seines kreativen Genies gewesen sein und k;nnte auch durch die Veranlagung zu au;ergew;hnlichen visuellen r;umlichen F;higkeiten verst;rkt worden sein, die bei einigen bipolaren Patienten beschrieben worden sind." Die Wiederkehr bestimmter Formen in Pollocks Werken mache es "sehr unwahrscheinlich, dass es sich um zuf;llig provozierte Pareidolien handelt", also um Sinnest;uschungen, bei denen ein vorhandenes Objekt oder Bild in der Wahrnehmung zu einem anderen, bekannten erg;nzt wird.

Jackson Pollock ist mit seinem Ruhm als "gr;;ter lebender Maler der USA", als den ihn das Magazin "Life" 1949 – wenn auch in Frageform – r;hmte, nie zurande gekommen; auch das spricht f;r die posthume Diagnose seiner mentalen Verfassung. Er wurde von den f;hrenden Kritikern seiner Zeit wie Clement Greenberg f;r die ungegenst;ndliche Kunst der sogenannten New York School vereinnahmt. Dabei ist sein ;uvre, wie es zuletzt 1998 in der grandiosen Retrospektive des MoMA ausgebreitet wurde, voller gegenst;ndlicher Bez;ge. Pollock war sich des Unbewussten durchaus bewusst, wie schon das erw;hnte Zitat von 1943 belegt. "Der Schl;ssel" hat er ein abstraktes Gem;lde von 1946 betitelt. Es bleibt dem Betrachter ;berlassen, sein Werk je f;r sich zu entschl;sseln.

Jackson Pollock "Der Schl;ssel" (rechts), Ausstellungsansicht "Jackson Pollock, die fr;hen Jahre", Picasso-Museum, Paris
Foto: Sabine Glaubitz/dpa, VG Bild-Kunst, Bonn, 2025
Wo ist die geheime Botschaft? Jackson Pollock "Der Schl;ssel" (rechts), in der Ausstellung "Jackson Pollock, die fr;hen Jahre", die im Januar im Pariser Picasso-Museum endete


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