Liliputins in German-5580

Im Kulturkampf nach Canossa zu gehen, waere mir zu weit ... "
Otto von Bismarck

Liliputins. What, the heck, is this?
http://stihi.ru/2021/11/24/7101

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Als Gang nach Canossa bezeichnet man den Bitt- und Bussgang des roemisch-deutschen Koenigs Heinrich IV. von Dezember 1076 bis Januar 1077 zu Papst Gregor VII. zur Burg Canossa, wo dieser sich als Gast der Markgraefin Mathilde von Tuszien aufhielt. Dies war notwendig geworden, nachdem Heinrich IV. im Zuge seiner Auseinandersetzung mit dem Papst exkommuniziert worden war. Gemaess zeitgen;ssischen Quellen soll der Koenig drei Tage lang vor den Toren der Burg um die Wiederaufnahme in die Kirche gefleht haben. Schliesslich gewaehrte ihm der Papst Einlass und erteilte ihm die Absolution. Der Bussgang war ein Hoehepunkt eines Streits zwischen dem Roemischen Koenigtum und dem Papsttum um das Verhaeltnis von weltlicher und geistlicher Macht und um die Rolle der Reichskirche. In der spaeteren Geschichtsschreibung gab und gibt es eine Tendenz zur Ueberh;hung der Ereignisse, waehrend die Zeitgenossen dem Bussgang im Vergleich zur vorangegangenen Bannung des Koenigs eher geringe Bedeutung beimassen. Im heutigen Sprachgebrauch wird ein als erniedrigend empfundener Bittgang im uebertragenen Sinn als „Gang nach Canossa“ oder „Canossagang“ bezeichnet.

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Nationalliberale und Bismarck stimmten in ihrer Gegnerschaft zu einer katholischen Partei ueberein. Fuer Bismarck spielte dabei auch eine Rolle, dass mit der 1870 gegruendeten Zentrumspartei eine seinem Einfluss entzogene, im Kern konservative, katholische Partei entstanden war. Das Zentrum schaffte eine Klammer zwischen katholischer Arbeiterschaft, Honoratioren und Kirche. Bismarck reduzierte es konsequent auf den von ihm gefuerchteten Ultramontanismus. Tatsaechlich wurde das Zentrum in den ersten Reichstagswahlen von 1871 auf Anhieb zweitstaerkste Kraft. Damit sank der Wahlerfolg der Nationalliberalen insbesondere im katholisch-buergerlichen Lager. Der Kulturkampf hatte fuer Bismarck zwar vor allem politische Gruende, doch er sah in Ludwig Windthorst, dem herausragenden Politiker der Zentrumspartei, einen persoenlichen Gegner: „Mein Leben erhalten und verschoenern zwei Dinge, meine Frau und Windthorst. Die eine ist fuer die Liebe da, der andere fuer den Hass.“ Bismarck stilisierte die Katholiken zu Reichsfeinden – auch um aufziehender Kritik an seiner Amtsfuehrung entgegenzuwirken. Ab 1872 wurden im Rahmen des sogenannten Kulturkampfes verschiedene Sondergesetze gegen die Katholiken beschlossen und wiederholt verschaerft. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wurden Rechte und Machtstellung der Kirche durch Reichs- und preussische Landesgesetze beschnitten (Kanzelparagraph, Brotkorbgesetz), aber auch die Zivilehe eingefuehrt. In diesem Zusammenhang aeusserte Bismarck am 14. Mai 1872 vor dem Reichstag: „Seien Sie ausser Sorge, nach Kanossa gehen wir nicht, weder koerperlich noch geistig.“ Damit spielte er auf den mittelalterlichen Investiturstreit an, in dem sich Kaiser Heinrich IV. vor Papst Gregor VII. 1077 hatte demuetigen muessen.
Waehrend des Kulturkampfes geriet Bismarck erneut in Konflikt mit Kaiserin Augusta, die fuer eine Abmilderung der scharf antikatholischen Massnahmen eintrat. In seinen Memoiren schrieb er, sie habe in diesem Konflikt seine „Faehigkeit, zu vertreten was ich fuer meine Pflicht hielt, und meine Nerven auf die schwerste Probe im Leben gestellt“. Laut Ernst Engelberg war die Position der Kaiserin in ihrer Abneigung gegen die Liberalen begruendet, die die Kulturkampfgesetze mittrugen. Tatsaechlich ist der Begriff Kulturkampf eine Praegung des Reichstagsabgeordneten Rudolf Virchow (Deutsche Freisinnige Partei). Otto Pflanze dagegen glaubt, dass Augusta seit dem Sturz der Regierung der Neuen Aera, mit der sie sich identifiziert hatte, einen bleibenden Groll gegen Bismarck hegte. So habe sie gegen Bismarcks Regierungskurs opponiert und intrigiert, ganz gleich, ob er gerade liberal oder konservativ war. Jonathan Steinberg dagegen deutet den Konflikt tiefenpsychologisch: Bismarck habe nicht mit starken Frauen umgehen koennen und auf sie mit schrankenloser Wut und Misogynie reagiert: Die immer wieder ueberaus anstrengenden Bemuehungen, den willensschwachen Wilhelm I. auf seine Seite zu ziehen, der andererseits auch von seiner Frau beeinflusst war, habe er als Wiederholung der Erfahrungen erlebt, die er als Kind mit seiner kaltherzigen Mutter habe machen muessen. Die erste, harte Etappe des Kulturkampfes endete 1878. In diesem Jahr starb Pius IX., sein Nachfolger Leo XIII. signalisierte Verst;ndigungsbereitschaft, an der Bismarck gelegen war, um das Zentrum auszubooten. Eine direkte Verhandlung mit dem Heiligen Stuhl schadete der Partei und verringerte ihr Ansehen bei der katholischen Bevoelkerung. Zudem hatte der Kanzler nicht das geschafft, was er vorgehabt hatte. Die katholische Basis und die katholische Partei liessen sich nicht spalten, vielmehr wurde durch die staatlichen Angriffe die Bildung eines katholischen Milieus gefoerdert. Darueber hinaus unterstuetzte die katholische Presse die Partei, die zunehmend Mandate im Reichstag gewann. Ein letzter Grund fuer Bismarck ergab sich aus dem letztlich vollzogenen Bruch mit den Nationalliberalen. Er lotete die Moeglichkeit aus, das Zentrum in seine Politik einzubauen und somit eine „blau-schwarze Koalition“ mit den Konservativen zu bilden. Der Kulturkampf endete im April 1887 mit dem zweiten Friedensgesetz.[138] Bis dahin trugen beide Seiten zur Deeskalation bei. Eine Folge des Kulturkampfes bis heute sind die Zivilehe und die staatliche Schule. F;r die zuk;nftige Politik Bismarcks nicht unwichtig war, dass Windthorst keineswegs ein ultramontaner Eiferer war. Er war zwar preu;enkritisch, aber eben auch pragmatisch und konstitutionell ausgerichtet, was Bismarck neue politische Optionen eroeffnete.


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