Der antisemitische Suendenfall

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Der antisemitische S;ndenfall
von Monika Beer22. M;rz 2020
Im M;rz 1869 lie; Richard Wagner – diesmal nicht hinter einem Pseudonym versteckt – nochmals seine schreckliche Schm;hschrift „Das Judenthum in der Musik“ in einer Brosch;re ver;ffentlichen.

Ausschnitt aus dem Titelblatt der im M;rz 1869 in Leipzig ver;ffentlichten „Juden-Brosch;re“ Vorlage: Wikimedia Commons, © Foto H.-P.Haack
Der Brief einer holl;ndischen ;bersetzerin, die sich mit dem „Offenen Brief“ Richard Wagners an den Vivisektions-Gegner Ernst von Weber befasst hatte, ist am 22. M;rz 1880 ein Thema in der Villa Angri hoch ;ber Neapel, wo Wagner dank gro;z;giger Unterst;tzung K;nig Ludwigs II. von 4. Januar bis 7. August 1880 mit den Seinen f;rstlich logiert. „Wie ich R. davon spreche“, schreibt seine Frau Cosima, „sagt er: ‚Das sind wohl r;hrende Zeichen, und ich k;nnte mich ;ber manches freuen, aber der Kummer ;ber das Ganze l;;t die Freude ;ber das Einzelne nicht recht aufkommen. Ich erwarte jetzt Resultate, und die k;nnen in Deutschland nicht kommen, es ist verj;det und verprofessort‘.“

In Cosima Wagners Tageb;chern vergeht kaum eine Woche, in der sich der Antisemitismus der beiden nicht unmissverst;ndlich niederschl;gt. Besonders h;ufig geschieht das im M;rz 1869, als die zweite Fassung der sogenannten „Judenbrosch;re“ erscheint. Dass Wagner die Hetzschrift mit dem Titel „Das Judenthum in der Musik“, die er zuerst 1850 unter dem Pseudonym K. Freigedank in zwei Folgen der Neuen Zeitschrift f;r Musik ver;ffentlichte, fast zwanzig Jahre sp;ter nochmals und unter seinem Namen als Brosch;re mit zus;tzlichen und ausf;hrlichen Erl;uterungen herausbrachte, ist gewisserma;en der gr;;ere S;ndenfall: Mit der wirkungsm;chtigeren Brosch;re wurde klar, dass Wagner in diesem Punkt ein ;berzeugungst;ter war.

Das verstanden teilweise auch seine Freunde und F;rderer so. Franz Liszt schrieb an seine Lebensgef;hrtin, Carolyne F;rstin von Sayn-Wittgenstein: „Wagner publiziert in Brosch;renform seinen alten Artikel ;ber das Hebr;ertum, Das Judenthum in der Musik. Weit davon entfernt, seinen Fehler einzugestehen, verschlimmert er ihn durch einen Vorspruch und ein Nachwort, die an Madame Kalergis adressiert sind.“ Und der mit Wagner befreundete Dirigent Heinrich Esser lie; Wagners Verleger Franz Schott wissen: „Ich begreife nicht, wie Wagner einen solchen Wahnsinn begehen konnte, eine vor vielen Jahren begangene und seither in Vergessenheit geratene Dummheit wieder aufzuw;rmen und sich neuerdings unsterblich zu blamieren.“

;ber Wagners Judenhass ist in den letzten Jahrzehnten einiges publiziert worden. F;r mich herausragend sind zwei B;cher von Jens Malte Fischer: sein im Jahre 2000 erstmals publiziertes Insel-Taschenbuch Richard Wagners „Das Judentum in der Musik“ (380 S., nur noch antiquarisch zu haben, 2015 aktualisiert wieder aufgelegt als Band 15 der Reihe „Wagner in der Diskussion“ bei K;nigshausen & Neumann, 286 S., 38 € ) und – in k;rzerer Form und kombiniert mit anderen Themen – der 2013  erschienene Essayband „Richard Wagner und seine Wirkung“ aus dem Zsolnay Verlag (320 S., 19,95 €).

F;r alle Einsteiger in das Thema ist dieses Buch ideal, schon einfach deshalb, weil der Autor es schafft, selbst die schlimmsten Satz-Unget;me – und in Wagners theoretischen Schriften ist davon leider kein Mangel – gut lesbar auf ihren Kern zu reduzieren. Fischer doziert nicht, belehrt nicht, ideologisiert und polemisiert nicht. Sondern offeriert ein reichhaltiges Material, ;ber das sich jeder sein eigenes Bild machen kann und darf, angefeuert durch seine Zuspitzungen, die eine, seine klare Haltung spiegeln.

Und die fu;t, wie die Widmung seiner Dokumentation zur Judentum-Brosch;re von 2000 an den 2012 vesrtorbenen Medi;visten und Wagnerkenner Peter Wapnewski zeigt, darauf, „dass man sich intensiv mit Wagner besch;ftigen kann, ohne durch Liebe blind oder durch Hass taub zu werden.“ Deshalb wird Jens Malte Fischer auch nicht m;de, darauf hinzuweisen, dass es nur eine Wunschvorstellung sein kann, zu glauben, dass Wagners Antisemitismus sich nicht auch in dessen Musik niederschl;gt.

„Die ungl;ubige und oft aggressive Abwehr des heutigen Wagner-Publikums gegen;ber Hinweisen, dass etwa in Figuren wie Mime und Beckmesser die antij;dischen Ressentiments ihres Sch;pfers erkennbar sind“, schreibt er, „beruht vor allem darauf, dass die in der zweiten H;lfte des 19. Jahrhunderts selbstverst;ndliche Impr;gnierung mit dem kulturellen Code des Antisemitismus (in ganz verschiedenen Intensit;tsgraden) angesichts dessen, was im 20. Jahrhundert geschah, nicht mehr selbstverst;ndlich ist.“ Er liefert auch zu Marc Weiners umstrittener These, wonach heutige Zeitgenossen antisemitische Anspielungen in bestimmten Wagnerfiguren und in der Musik gar nicht mehr h;ren und sehen k;nnen, Belege und neue Gedankenans;tze und schlie;t mit der Forderung, dass „dieses au;erordentlich schwierige, aber auch dankbare und notwendige Thema“ noch einmal gr;ndlich und grunds;tzlich aufgegriffen werden muss.

Fischer geh;rt nicht zu jenen, die Wagner in direkter Linie f;r Hitler verantwortlich machen wollen. „Ich weise aber darauf hin“, schreibt er, „dass auch und gerade ein K;nstler vom Range Richard Wagners, der sich f;r alles zust;ndig f;hlte und zu allem sich autoritativ ge;u;ert hat, weit ;ber sein eigentliches Gebiet hinaus, nicht entbunden werden kann von der Mitverantwortung daf;r, was mit seinen prononcierten ;u;erungen von der Nachwelt getan wird.“

Das mag zwar auch keiner h;ren, aber es ist nichtsdestoweniger richtig. „Das Problem ist“, so Fischer, „dass Wagner-Interpreten, Regisseure wie Dirigenten vor allem, Wissenschaftler, aber auch ‚simple‘ Wagner-Liebhaber es zwar aushalten, zur Kenntnis zu nehmen, dass ihr Heros antisemitische Ansichten von einiger Radikalit;t ge;u;ert hat. Sie wollen aber nicht anerkennen, dass diese seine Ansichten Spuren in seinem B;hnen- und kompositorischen Werk hinterlassen haben, weil sie dann ja vor der Alternative st;nden, entweder ihrer Liebe zu diesem Werk abzusagen oder diese aufrechtzuerhalten in vollem Bewusstsein dieses Sachverhaltes.“

Am 5. M;rz 1869 notiert Cosima: „Von der Post bringt R. die ersten Exemplare der Juden-Brosch;re mit“, am 10. M;rz meldet sich brieflich ihr damaliger Noch-Gatte Hans von B;low und „ist von der Brosch;re sehr entz;ckt.“ Am 16. M;rz bringt R. „einen Brief von Mme Viardot herauf – ;ber die Juden-Brosch;re! Ja dieser Unsinn oder dieser tiefe Sinn. Sie ist J;din, das ist nun klar.“ Am 17. kommt noch ein Brief der ber;hmten S;ngerin, und der Leipziger Verleger Johann Jacob Weber schickt die ersten Rezensionen: „Alles sch;umt, tobt, verh;hnt. Abends Diktat.“

Aktualisierte Version der Erstver;ffentlichung von 2013 auf www.infranken.de in dem Blog „Mein Wagner-Jahr“

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