Warum wollte Hitler das beste Gewehr nicht?

Warum wollte Hitler das beste Gewehr nicht?
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Von Sven-Felix Kellerhoff
Leitender Redakteur Geschichte
Ver;ffentlicht am 15.07.2014Lesedauer: 5 Minuten
Ein deutscher Infanterist h;lt ein Sturmgewehr 44 mit Zielfernrohr im Anschlag.

Ein deutscher Infanterist h;lt ein Sturmgewehr 44 mit Zielfernrohr im Anschlag
Quelle: Bundesarchiv_Bild_146-1979-118-55
Im Sommer 1943 begann die Wehrmacht die Truppenerprobung des ersten Sturmgewehrs. Konzept und Technik der Waffe setzten Ma;st;be bis weit in die Nachkriegszeit hinein.

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Requisiteure lieben es. Ob „Steiner – Das Eiserne Kreuz“ , „Die Br;cke von Remagen“, „Der Soldat James Ryan“ oder auch die TV-Saga „Unsere M;tter, unsere V;ter“: Kaum ein Spielfilm ;ber den Zweiten Weltkrieg in Europa kommt ohne deutsche Soldaten aus, die das Gewehr mit dem charakteristisch leicht nach vorn gebogenen Magazin benutzen.

Im Sp;tsommer 1943 wurden die ersten knapp 15.000 Exemplare der Waffe ausgeliefert, zu einem gro;en Truppenversuch an die n;rdliche Ostfront. Bald erwies sich, dass damit ausger;stete Einheiten weitaus schlagkr;ftiger waren als konventionell mit Karabinern, Maschinenpistolen und MGs bewaffnete Truppen.

Trotzdem hatte Hitler wiederholt die weitere Entwicklung der Waffe und der dazugeh;rigen Munition untersagt. Warum wollte der Diktator das offensichtlich beste Gewehr des Zweiten Weltkriegs nicht?

Probleme mit der Munition
Munition zu entwickeln ist eine Aufgabe mit vielen Variablen. Ver;ndert man eine, so hat das automatisch Auswirkungen auf andere Faktoren. So ist es kein Problem, ein sehr durchschlagkr;ftiges und weitreichendes Geschoss zu entwickeln – doch damit wird die einzelne Patrone schwer. Was bei 20 oder 30 St;ck kein Problem darstellt, kann bei 10.000 oder 20.000 Schuss auf einmal schon einen gro;en Unterschied ausmachen.

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Andererseits: Braucht wirklich jeder Soldat so gro;e Durchschlagskraft? Das Heereswaffenamt der Wehrmacht wusste schon vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, dass die Reichweite der deutsche Infanterie-Standardwaffe, des Karabiners 98k, in ;blichen Kampfsituationen eigentlich nie ausgenutzt wurde. Damit wurde Schie;pulver vergeudet und auch Buntmetall bei den Patronenh;lsen im Kaliber 7,92 x 57 Millimeter, die l;nger waren als eigentlich notwendig.

Au;erdem begrenzte das Repetieren von Hand die Feuergeschwindigkeit. Infanteristen mit dem 98k waren Gegnern mit halbautomatischen Gewehren deshalb unterlegen.

Zwar machte die Einf;hrung der Schmeisser-Maschinenpistolen MP38 und vor allem MP40 diesen Nachteil teilweise wieder wett. Doch verschossen diese Waffen Pistolen-Munition im Kaliber 9 mal 19 Millimeter, die in Reichweite und Durchschlagskraft weit unter jedem Gewehr lagen.

Hitler bekam einen Wutanfall
Deshalb erteilte das Heereswaffenamt schon 1938 den Auftrag, einen komplett neuen „Maschinenkarabiner“ zu entwickeln, einschlie;lich einer neuen Munition im Kaliber 8 mal 33 Millimeter. Die Waffe sollte eine Reichweite und Durchschlagskraft erzielen, die gr;;er war als bei der MP40, aber kleiner und damit materialsparender als beim 98k.


Als Hitler, der sich wegen seiner Erfahrungen als Meldeg;nger im Ersten Weltkrieg f;r erfahrener als die meisten seiner Gener;le hielt, davon erfuhr, stoppte er die Entwicklung. Stattdessen verlangte er, ein halbautomatisches Gewehr mit der alten Standardmunition zu entwickeln. Doch das daraufhin entstandene Gewehr 41 erwies sich als Fehlkonstruktion, und sein modifizierter Nachfolger Gewehr 43 war zwar besser, aber immer noch nicht gut.

Insgeheim hatte R;stungsminister Albert Speer w;hrenddessen die Entwicklung der neuen „Mittelpatrone“ mit 33 Millimeter L;nge vorangetrieben. Zum Schein war das Projekt in MP43 umbenannt worden. Doch als Hitler mitbekam, dass es sich um den eigentlich gestoppten Maschinenkarabiner handelte, bekam er einen Wutanfall.

Durchschlagsstark und zielgenau
Die knapp 15.000 fertiggestellten St;ck der neuen Waffe wurden im Sommer 1943 erstmals an Ausbildungseinheiten beim Ersatzheer abgegeben und erwiesen sich als zuverl;ssig. Da sie nun schon fertig produziert waren und auch mehrere Millionen Schuss bereitstanden, gab der Diktator widerwillig sein Einverst;ndnis, eine Kampfeinheit damit auszustatten und den Wert der neuen Waffe einfach auszuprobieren.

Die 93. Infanterie-Division am n;rdlichen Teil der Ostfront wurde Ende Oktober mit der neuen Waffe ausgestattet und erzielte gro;e Abwehrerfolge. Das neue Gewehr erwies sich als durchschlagsstark, relativ zielgenau und praktisch im Einsatz. Soldaten, die an der Front k;mpften, zogen den Maschinenkarabiner bald der Maschinenpistole vor.

Hitler willigte nun doch ein, die Massenproduktion zu beginnen. Geringf;gig ;berarbeitet, ging das neue Gewehr einschlie;lich seiner speziellen Munition im Fr;hjahr 1944 als Gewehr 44 in die Serienfertigung. Rasch zeigte sich, dass diese Waffe der sowjetischen Standard-Maschinenpistole PPSch-41 mit dem charakteristischen Rundmagazin ebenso ;berlegen war wie dem amerikanischen M1 Garand.


Es passte zur Endsieg-Rhetorik
Obwohl er urspr;nglich gegen die Entwicklung dieser neuen Waffe gewesen war, machte sich der Diktator die Neuentwicklung nun zu eigen und gab dem Gewehr 44 einen neuen Namen: Sturmgewehr. Er passte zur Durchhalte- und Endsieg-Rhetorik, derer sich das m;rderische NS-Regime inzwischen bediente.

Auch einige Einheiten der Waffen-SS bekamen diese Gewehre, doch meist wurden sie von Wehrmachtssoldaten verwendet. Bei Kriegsverbrechen wurden sie wohl eher selten eingesetzt: F;r t;dliche Sch;sse auf wehrlose Menschen aus kurzer Entfernung waren Maschinenpistolen besser geeignet.

Bis ins Fr;hjahr 1945 hinein wurden noch etwas mehr als 400.000 Sturmgewehre hergestellt und ausgeliefert. An der dr;ckenden quantitativen ;berlegenheit der Alliierten ;nderte das auch nichts mehr. Allerdings galt wenigstens bei US-Soldaten ein Sturmgewehr als begehrte Beute. Aus der winterlichen Kesselschlacht um Bastogne ist bekannt, dass manche Trupps amerikanischer Fallschirmj;ger sich tagelang mit eroberten Sturmgewehren verteidigten.

Einsatz in der DDR
Doch nur wenige deutsche Soldaten bekamen ;berhaupt dieses wahrscheinlich beste in Serie gebaute Gewehr des Zweiten Weltkriegs: Gegen;ber etwa zehn Millionen produzierten Karabinern 98k und rund einer Million Maschinenpistolen MP38 und MP40 fielen die etwa 425.000 hergestellten Sturmgewehre kaum ins Gewicht.


Viele davon blieben auch nach 1945 im Einsatz. So wurde beispielsweise in den fr;hen 1950er-Jahren die Kasernierte Volkspolizei der DDR mit eingelagerten Sturmgewehren ausger;stet. Die Grenztruppen und Betriebskampfgruppen der SED-Diktatur erhielten dagegen meistens ausgemusterte sowjetische PPSch-41.

Erst als gro;e St;ckzahlen des sowjetischen AK-47 Kalaschnikow verf;gbar waren, einer vom Sturmgewehr 44 inspirierten Neukonstruktion, wurden die alten Wehrmachtswaffen aussortiert. In manchen B;rgerkriegsgebieten sollen sie jedoch noch heute im Einsatz sein, und auch Munition f;r die Wehrmachtswaffe wird von mindestens einer Fabrik auch im 21. Jahrhundert noch hergestellt.

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