Redewendungem mit Gurke

Redewendung: Saure-Gurken-Zeit
REDEWENDUNG

Wir erklaeren euch, wann redensartlich die "Saure-Gurken-Zeit" ausbricht und was die Redewendung bedeutet

Seufzend wickelt Mara die letzte Marzipankartoffel aus und steckt sie sich in den Mund: "Weisst du, was ich an der Zeit nach Weihnachten gar nicht mag, Oma?" Ihre Grossmutter schaut ;ber die Kante ihres Buchs zu Mara herueber und fragt laechelnd: "Vielleicht, dass es jetzt wieder ein Jahr dauert, bis du Weihnachtsgeschenke bekommst?"

"Nein.. Ich muss jetzt sehr lange warten, bis es endlich wieder Marzipankartoffeln im Supermarkt zu kaufen gibt!", antwortet Mara und rechnet schon im Kopf durch, wann die Saison im naechsten Jahr wieder beginnt.

"Na du hast Sorgen, Kind! Dann beginnt jetzt wohl wieder die Saure-Gurken-Zeit" sagt ihre Grossmutter amuesiert. Was man unter "Saure-Gurken-Zeit" versteht und wie sie entstand Lebensmittel sauer einzulegen, war eine fruehe Methode, um diese laenger haltbar zu machen. So konnte das Gemuese ueber den langen Sommer bis in den kargen Winter konserviert und gerettet werden.

Wenn im Winter wegen der Kaelte kein Gemuese- und Obstanbau moeglich war, konnten die Menschen auf die sauer eingelegten Gurken zurueckgreifen und brauchten keinen Hunger leiden.

Als "Saure-Gurken-Zeit" wird also ein Zeitraum bezeichnet, der von Verzicht und Leiden gezeichnet ist und den man eine Weile gezwungenermassen durchstehen muss.

Spreewaldgurken als Namensgeber

Eine andere Erklaerung fuer die Entstehung der Redensart, geht auf die ersten eingelegten Spreewaelder Gurken zurueck. Diese kamen meist im Sommer nach Berlin und wurden dann auf den Berliner Marktplaetzen angeboten.

Doch der Zeitpunkt des Verkaufs war fuer die Haendler meist eher unguenstig - fiel er doch in jene Zeit, in der die Kaufleute zaehneknirschend die schlechten Geschaefte angesichts der Hitze und Urlaubszeit bemaengelten. Es war eben die "Saure-Gurken-Zeit".

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Wie ist die Gurke?
Wofuer es doch alles herhalten muss, das arme Kuerbisgewaechs! Will man etwas heruntermachen, ist es schnell zur Hand. Zu einem schmeichelhaften Vergleich lud es noch nie ein.

Wiglaf Droste
29.04.2014, 16.44 Uhr

Nikolaus Heidelbach
Die Gurke hat einen boesen Leumund, das Wort Gurke ist ein Synonym fuer alles Missratene. Wenn etwas schiefgeht, wird es als «vergurkt» oder als «total vergurkt» bezeichnet, schwach spielende Fussballmannschaften werden als «Gurkentruppen» geschmaeht.

Was kann die arme Gurke nur dafuer, dass sie zu solch rohen Zwecken und Vergleichen herangezogen wird? Was hat sie all denen getan, die vom Versagen reden und dazu den Namen der Gurke in den Mund nehmen? Was ist schlecht an der Gurke? Dass sie zu 99 Prozent aus Wasser besteht? Wirkt die Salatgurke bedrohlich, weil man sie auch Schlangengurke nennt? Gibt es denn so gruene, so kurze und gleichzeitig so dicke Schlangen? Vor Schlangengurken muss sich niemand fuerchten, sie beissen tatsaechlich nicht.


Liegt es an der slawischen Herkunft des Wortes Gurke? Sind antipolnische Ressentiments gegen die Gurke im Spiel? Oder ist es der Spass an der nicht sinngebundenen Beleidigung? In diesem Genre landet Kaept’n Haddock, Kultfigur aus Herg;s «Tim und Struppi»-Comics, einen Volltreffer, wenn er sich zu der Invektive «Sie Gurkensalat!» aufschwingt. Ein gesiezter Gurkensalat ist ein komisches Meisterstueck, gerade weil dem Gurkensalat an sich nicht das geringste Beleidigungspotential innewohnt; er kann vielmehr koestlich sein und erfrischend. Wer mit «Sie Gurkensalat!» angesprochen wird, ist entwaffnet. Was soll er darauf entgegnen? Vielleicht «Sie Logarithmus!», eine weitere Perle aus Haddocks reichem Schimpfschatz?

Das Satiremagazin «Titanic» begruesste Ende 1989 «die Buerger aus den neuen Laendern» mit dem Foto einer Frau, die stolz eine halb geschaelte Gurke praesentierte, gekoppelt mit dem Text «Zonen-Gaby (17) im Glueck (BRD): Meine erste Banane». Das war ein bisschen gemein und aber auch sehr komisch und nuetzich im gar nicht kuscheligen Westen und dass die Wiedervereinigung speziell fuer sie eine ziemliche Gurkennummer war. Ein Rettich oder eine Zucchini haetten es zu diesem Zweck genauso gut getan, aber nach einem ungeschriebenen Gesetz der Serie musste auch in diesem Fall eine Gurke herhalten.

Immer ist die Gurke die Referenzgroesse fuer das, was man nicht moechte. «Wir pfeifen auf den Gurkenkoenig» heisst ein beruehmtes Jugendbuch von Christine Naestlinger; moeglicherweise hat es Tausenden jungen Lesern eine Gurkenallergie eingejagt. Unattraktive Automobile werden als «alte Gurke» bezeichnet; wenn von jemandem behauptet wird, er koenne nicht Auto fahren, heisst es: «Wie gurkt der denn rum?» Die Gurke ist an allem schuld; mit der Gurke kann man es offenbar machen. Oder es wenigstens mal versuchen.


Wo gehobelt wird, fallen Gurkenscheiben. Damit man sie leichter hobeln kann, bekam die Gurke eine eigene EU-Norm, die vorschreibt, dass die Gurke «gut geformt und praktisch gerade sein» muss, «maximale Kruemmung: 10 mm auf 10 cm Laenge der Gurke». Das laesst sich die Gurke aber nicht immer gefallen. Cucumis sativus heisst das Gemuese aus der Gattung der Kuerbisgewaechse lateinisch und ist schon ein kleines bisschen aelter als die EU.

Ich bin der Gurke dankbar, denn sie hat mir einen Blick eroeffnet auf die Welt der Sprache und die Welt des Geschaefts. Als ich 1987 zehn Wochen lang in einer Duesseldorfer «Agentur fuer Kommunikation», also in einer Werbeagentur, als sogenannter Juniortexter arbeitete, kamen einmal drei schwere Herren von der Firma Frenzel Sauerkonserven zur Besprechung eines Grossauftrags ins Haus. Ich wurde als Protokollant dazugebeten. Der Konferenzraum – damals sagte man noch Konferenz und nicht Meeting – lag direkt unterm Dach, die Fruehlingssonne stach, die Frenzel-Herren zogen die Jacketts aus. Es nuetze ihnen nichts. Nach einer Viertelstunde breiteten sich unter ihren Achseln medizinballgrosse Schweissflecken aus. Und dann sagte eines der Schwergewichte den Zaubersatz: «Das ist doch die Frage: Wie ist die Gurke? Ist sie fein? Ist sie herb?»

Ich lachte ohne jede Absicht dazu spontan auf; der Agenturchef sah mich verstaendnislos an. Spaeter bat er mich zu sich und fragte streng: «Wieso haben Sie denn so albern gelacht?» Ich erlaeuterte ihm, dass die Frage «Wie ist die Gurke?» aus diesem Mund und in dieser Situation doch unglaublich komisch gewesen sei. Er schuettelte den Kopf, sah mich an und sagte nur: «Zehn Millionen Mark sind nicht komisch.» Da hatte er, aus seiner Ansicht der Welt, wahrscheinlich recht.

Kurze Zeit spaeter verliess ich die Agentur, in die ich mich verirrt hatte; die Formel von der «Trennung im gegenseitigen Einvernehmen» stimmte; auch ich war sehr erleichtert. Ein Raetsel aber nahm ich mit auf den Weg: Wie ist die Gurke? Ich habe nie mehr aufgehuert, mich das zu fragen.

 

Dieser Artikel stammt aus dem Magazin NZZ Folio vom Mai 2014 zum Thema "Farben". Sie koennen diese Ausgabe bestellen oder NZZ Folio abonnieren.


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Gurke
1. Aus einer Gurke wird keine Melone.

Die Russen: Wenn man die Gurke auch in ein Mistbeet setzt, es wird darum keine Ceder daraus wachsen. (Altmann VI, 421.)


[171] 2. Der eine zieht die Gurken und der andere isst sie.


3. Die geschenkte Gurke ist besser (lieber) als die gekaufte Melone. – Altmann V, 130 u. VI, 459.


4. Eine faule Gurke verdirbt zehn gesunde.


5. Eine gekaufte Gurke hat mehr Saft als eine gestohlene Melone. – Altmann VI, 390.

Dar;ber sind aber die Ansichten getheilt. (S. 3.)


6. Gurken und M;dchen faulen leicht.

Holl.: Komkommers zijn van maagdenaard, zij dienen niet te lang bewaard. (Harrebom;e, I, 431a.)


7. Ich mag die Gurke nicht, sagte der arme Mann, sie ist mir zu krumm.

Von Bettlern oder andern Leuten, die trotz ihrer Noth noch sehr w;hlerisch sind und ungemessene Anspr;che machen.


8. Kaufe deine Gurken nie bei einem Schurken!


9. Man w;rde die Gurken f;r Melonen bezahlen, wenn sie ebenso selten w;ren.


10. Saure Gurken sind keine Oliven.


11. Wenn die Gurken am besten angerichtet sind, soll man sie zum Fenster hinauswerfen. – Meisner, 58.

Von der (irrigen) Ansicht ausgehend, dass die Gurken, welche man nicht esse, am ges;ndesten seien.


12. Wenn sich Gurk' und K;rbis streiten, mischt die Arbuse sich nicht ein. (Moskau.)


13. Wer die Gurken s;uern will, legt sie nicht in Honig. – Altmann VI, 419.


*14. Das bringt eine sauere Gurke ums Leben! (Schles.)


*15. Das ist eine alte Gurke. (Th;ringen.)

Nichts Neues.


*16. Die Gurke ist alle (oder: Ist die Gurke alle?).

Die Sache zu Ende?


*17. Eine Gurke voraushaben. (Breslau.)

Eine Bevorzugung bei jemand.


*18. Mit Verleb, doass ig mer mag enne Gurcke nahmen. – Gomolcke, 790.


*19. Sich eine (grosse) Gurke herausnehmen. – Schuppius.


[Zus;tze und Erg;nzungen]
20. Die bittere Gurke erfreut nicht. – Merx, 59.

Nur das Gute geht zu Grunde.


21. Ich will lieber in die sauern Gurken beissen, als in Altjungfernkraut, sagte das M;dchen, und nahm einen Lahmen (Tauben, Witwer).


22. Seine Gurken muss man nicht dem G;rtner verkaufen. – Schuller, 33.


23. So lange die Gurken bl;hen, hat niemand Zeit krank zu sein. (Th;ringen.)


24. Saure Gurke ist auch Compot.

Dieser sprichw;rtlich gewordene Ausspruch hat folgenden Ursprung. Einer der berliner Wirthe, der sich durch feine Speisen und grosse Grobheit auszeichnete, ward von einem Gaste um Compot gebeten, dem er statt dessen saure Gurken brachte. Als dieser sich ;ber den Misgriff aufhielt, erhielt er die obige Antwort.


*25. Ich sehe, wie die Gurken hangen.


*26. Zur sauern Gurke werden.

In andauernd oder vorherrschend ernster, finsterer Stimmung sein.


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Stichtag

15. Juni 1988 - EU-Norm f;r Gurken wird ver;ffentlicht
Prall, gleichm;;ig gr;n und fast gerade gewachsen m;ssen Salatgurken bei Landwirt Christoph Nagelschmitz in Wesseling sein. Exemplare, die dem Sch;nheitsideal nicht entsprechen, werden fr;h abgeschnitten, sonst entziehen sie der Staude die Kraft f;r die geraden Fr;chte. "Die m;ssen runter, am besten klein. Je kleiner, desto besser", erkl;rt er.

Wie Nagelschmitz ziehen die meisten Agrarerzeuger seit 25 Jahren gegen krumme Dinger vom Stamme "cucumis sativus" zu Felde. Verantwortlich daf;r ist die Verordnung 1677/88, die am 15. Juni 1988 von der Europ;ischen Gemeinschaft ver;ffentlicht wurde. Danach d;rfen Gurken der Handelsklasse "Extra" auf 10 Zentimetern L;nge h;chstens 10 Millimeter gekr;mmt sein.

Wachsende Kritik an Br;sseler Regelungswut
Deutsche Kabarettisten lieben die Verordnung als realsatirische Steilvorlage, um ;ber den B;rokratiewahn der Br;sseler "Gurkentruppe" zu l;stern. Ironischerweise ist die Gurkenverordnung eine echt deutsche Erfindung, wie der EU-Abgeordnete Markus F;rber (CSU) erkl;rt: "Das Handelsklassenrecht sah eine genormte Gurke vor, damit immer gleich viele in einen Karton passen, der im Regal und im Lkw immer gleich viel Platz einnimmt." Da der damalige EU-Kommissionspr;sident Jacques Delors laut F;rber ";berzeugt war, der Binnenmarkt funktioniere nur, wenn alles exakt geregelt ist", fand der Handel schnell Geh;r, um deutsches Recht in EU-Recht umzusetzen.

Fortan werden krumme Gurken im Handel billig verramscht oder landen, trotz vermutlich gleich guten Geschmacks, sofort auf dem Kompost. Mit der fortschreitenden Erweiterung der EU lassen sich detailverliebte Eurokraten immer peniblere Vorschriften f;r alle m;glichen Lebensbereiche einfallen und provozieren so in der Bev;lkerung zunehmend Kritik am Br;sseler Ordnungswahn. Die D;nin Mariann Fischer Boel, von 2004 bis 2010 EU-Agrarkommissarin, nutzt den ;ffentlichen Druck und macht gegen den Vorschriften-Dschungel mobil – vor allem gegen das B;rokratiesymbol "Gurkenverordnung".

EU-Kommission kassiert Qualit;tsnormen
Bei Agrar- und Handelsverb;nden sowie im Berliner Landwirtschaftsministerium st;;t Fischer Boel auf heftigen Widerstand. Erst nach Intervention des zust;ndigen Bundesministers Horst Seehofer (CSU) unterst;tzen die deutschen EU-Abgeordneten die Pl;ne der Kommissarin. Obwohl 16 Mitgliedsl;nder auf der Verordnung beharren, kann Fischer Boel sich durchsetzen. 2009 streicht die Kommission etliche Qualit;tsnormen – nicht nur f;r Gurken, sondern auch f;r andere Obst- und Gem;sesorten wie Aprikosen, Artischocken, Karotten und Kirschen.

F;r Landwirte wie Christoph Nagelschmitz ;ndert sich allerdings so gut wie nichts. Denn nach Abschaffung der Gurken-Verordnung einigen sich die gro;en Handels- und Agrarverb;nde auch ohne Br;ssel auf dieselben Normen wie zuvor. Gerade Gurken sind nun mal praktischer zu verpacken, und die Verbraucher lassen krumme Fr;chte trotz g;nstigerer Preise weiter eher unbeachtet. Derweil bem;ht sich die EU, beraten durch den fr;heren bayerischen Ministerpr;sidenten Edmund Stoiber, weiter, die Regelungswut ihrer Beamten zu bremsen – mit zweifelhaftem Erfolg. So wird Ende 2012 zwar eine unsinnige Normierung von Traktorsitzen abgeschafft. Daf;r will man in Br;ssel nun wiederbef;llbare Oliven;lk;nnchen auf europ;ischen Restauranttischen verbieten.

Stand: 15.06.2013


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