Gegen Schweine helfen nur schweinische Methoden
(RAF) Dirty Harry-Methoden, Mississippi burning
Tief im S;den
»Mississippi Burning«. Spielfilm von Alan Parker. USA 1989; Farbe; 124 Minuten.
19.03.1989, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 12/1989
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Im Juni 1964, Lyndon B. Johnson war Pr;sident der USA, Robert Kennedy Justizminister, verabschiedete der Senat B;rgerrechtsgesetze, die f;r die Gleichberechtigung der Schwarzen im S;den der USA einen entscheidenden verfassungsrechtlichen Schritt bedeuteten. Zwei Tage sp;ter verschwanden im Staate Mississippi, also mitten im tiefsten Redneck-S;den, drei B;rgerrechtler. Zwei davon waren Wei;e aus dem Norden, der dritte ein Schwarzer, der aus den S;dstaaten stammte.
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Unter dem Druck des Pr;sidenten und seines Justizminsters leitete das von J. Edgar Hoover geleitete FBI eine aufwendige Suche nach den Verschollenen ein - nachdem der Mississippi-Gouverneur kaltschn;uzig erkl;rt hatte, die drei h;tten sich gewi; nach Kuba abgesetzt. Obwohl Hoover der B;rgerrechtsbewegung kaum Sympathien entgegenbrachte und Martin Luther King schlicht einen Kommunisten nannte, war die Untersuchung gr;ndlich, aufwendig und f;hrte zur Aufkl;rung des Verbrechens.
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Man fand die Leichen der drei Ermordeten, nachdem Marineeinheiten wochenlang die S;mpfe durchsucht hatten, man fand die T;ter, nachdem das FBI einen Informanten f;r 30 000 Dollar kaufen konnte. Sie wurden wegen Verschw;rung gegen die B;rgerrechte verurteilt, da eine Mordanklage sie lediglich vor die einheimische Jury in Mississippi gebracht h;tte. Keiner der sieben hat l;nger als f;nf Jahre Haft verb;;t.
Trotzdem war die FBI-Fahndung, war der anschlie;ende Proze; f;r das Klima der Rassenk;mpfe in den sechzigern wichtig: Millionen verfolgten die Vorg;nge in Zeitungen und im Fernsehen; der Ku-Klux-Klan, der Auftraggeber des Mordes, wurde vor den Augen der amerikanischen ;ffentlichkeit wochenlang als verbrecherische, lynchw;tige Organisation vorgef;hrt.
Normalerweise nimmt sich Hollywood solcher Themen wie dem der Ermordung der drei B;rgerrechtler nur ungern an. Kinokasse und Politik, das ist ein ungeschriebenes Gesetz der Branche, vertragen sich nicht.
Und wenn Hollywood doch nach Themen greift, die das nationale Selbstverst;ndnis und den patriotischen Stolz zu beflecken drohen, dann verwandelt, dann gl;ttet Hollywood solche Themen zu Hollywood-Stoffen - siehe Vietnam.
»Mississippi Burning«, der seinen Titel ;brigens dem damaligen Decknamen des FBI-Unternehmens entlehnt hat, ist der Film eines Engl;nders, des Regisseurs Alan Parker. Und es ist dennoch ein Hollywood-Film mit zwei duften FBI-Polizisten, liberal und akademisch der eine, ein Greenhorn aus dem Norden, scheinbar gem;tlich und lustig der andere, ein Praktiker aus dem S;den.
Gene Hackman spielt dieses Rauhbein, das sein Gem;t hinter einem dreckigen Grinsen versteckt, so, da; er neben Dustin Hoffman sicher der aussichtsreichste Oscar-Kandidat f;r die m;nnliche Hauptrolle ist, eine Mischung aus Chandler-Held und John-Wayne-Cowboy mit einem melancholischen Schatten von reifer Skepsis und Altersweisheit.
Aber damit, wie er den Fall auf seine Weise aufkl;rt, ergibt sich auch das gr;;te Problem des Films, der in seiner Stimmung und in seinen Gesichtern von einer ;berzeugenden Authenzit;t ist: Die Armut und R;ckst;ndigkeit des S;dens, sein verkniffener Stolz und seine verfettete Selbstgef;lligkeit werden sichtbar, sie werden nicht denunziert, sondern erkl;rt.
Das Problem, wie gesagt, ist die sadistische Dirty-Harry-Masche, die Hackman gegen die Ku-Klux-Klan-Brutalos im S;den einsetzt, sie gleichsam mit ihren eigenen Waffen schlagend und dabei an atavistische Rachegel;ste appellierend: Gegen Schweine helfen nur schweinische Methoden.
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In einer Szene setzt Hackman, w;hrend FBI-Beamte grinsend und ihn abschirmend vor der T;r stehen, einem S;dstaaten-Polizisten das Messer im Rasiersalon an die Kehle und ritzt ihm unger;hrt das Gesicht auf, bevor er ihn zusammenschl;gt. F;r die Zuschauer, die schon lange fast physisch unter der heimt;ckischen Gewalt der Klan-Leute gelitten haben, wird eine solche Szene zum sadistischen Befreiungsschlag.
Aber gerade in diesem authentischen Fall hat sich das FBI aus guten Gr;nden geh;tet, der schweigenden und gelegentlich lynchen lassenden Mehrheit im S;den auch nur ein Argument gegen die Ermittlungen zu liefern. Und da; ein Film, der illegales Unrecht und verschw;rerische Brutalit;t anprangern will, ausgerechnet zu ihrer Bek;mpfung nach deren Methoden greifen mu;, schw;cht seine moralische Position doch sehr.
Trotzdem bleibt als Haupteindruck des bewegenden Films, da; er noch einmal in Bildern und Szenen die Zeit der gro;en B;rgerrechtsk;mpfe beschw;rt und an die Opfer erinnert. Ein St;ck Geschichte des S;dens ist im Film bewahrt. In Philadelphia, Mississippi, dem wahren Ort der historischen Handlung durfte die Hollywood-Spiegelung bisher nicht gezeigt werden. Der Manager des einzigen Filmtheaters am Ort fand, es lohne sich nicht. Allein diese Nachricht lohnte den Film.
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