Damaskuserlebnis
Der Aha-Moment
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Francesco Mazzola gen. Parmigianino: Paulussturz
Als Damaskuserlebnis wird umgangssprachlich die Begegnung des Paulus von Tarsus mit dem auferstandenen Jesus Christus auf dem Weg nach Damaskus bezeichnet. Dabei wurde Paulus nach eigener Aussage vom Verfolger der Urchristen zum Apostel der V;lker berufen. Weil Paulus selbst keine erlebnishaften Details davon berichtete, spricht die christliche Theologie heute vom Damaskusgeschehen oder von der Berufung zum V;lkerapostel.
Im ;bertragenen Sinn bezeichnet „Damaskuserlebnis“ ein Ereignis, das einer Person eine einschneidende Selbsterkenntnis vermittelt, ihre Einstellung und ihr Verhalten f;r sie zum Positiven ver;ndert.
Neues Testament
Paulusbriefe
Paulus war nach eigener Aussage (1 Kor 15,9 EU) urspr;nglich ein Verfolger jener Urchristen, welche die Mitzwot der Tora nicht vollst;ndig einhielten. Im R;ckblick auf seine erste Missionsreise schrieb er in Gal 1,16 EU: „Als es aber Gott gefiel, der mich schon im Mutterleib auserw;hlt und durch seine Gnade berufen hat, in mir seinen Sohn zu offenbaren, damit ich ihn unter den V;lkern verk;nde,…“ Er stellt seine Berufung zum „Apostel f;r die V;lker“ in einen Deutungszusammenhang g;ttlicher Vorsehung, die den biografischen Bruch nachtr;glich nicht nur erkl;rt, sondern diesen vielmehr zur Voraussetzung hat, um an ihm die Gnade Gottes zu demonstrieren. Erst Jahre sp;ter habe er die Jerusalemer Urgemeinde besucht, deren Apostel ihm seinen g;ttlichen Missionsauftrag best;tigt h;tten. Daran erinnerte er die Adressaten seiner Paulusbriefe mehrfach (1 Kor 9,1 EU; 15,8 EU; 2 Kor 4,6 EU; Gal 1,12–16 EU; Phil 3,4–11 EU).
Apostelgeschichte
Die Apostelgeschichte des Lukas beschreibt die Berufung des Paulus als ;u;ere Epiphanie des Auferstandenen in drei als Ich-Berichte des Paulus gestalteten Texten (Apg 9,3–19 EU; 22,6–16 EU; 26,12–18 EU). Nach Apg 7,58ff EU war Paulus bei der Steinigung des ersten christlichen M;rtyrers Stephanus anwesend und hatte „Wohlgefallen“ daran. Danach habe er die Gemeinde „verw;stet“, „indem er in die H;user eindrang, M;nner und Frauen verschleppte und f;r ihre Verhaftung sorgte“. Nach Apg 9,1f EU erbat und erhielt er vom Jerusalemer Hohenpriester einen schriftlichen Auftrag, auch in Damaskus und den dort befindlichen Synagogen nach Anh;ngern Jesu zu suchen, um sie zu verhaften. Nach Apg 9,3–29 EU begegnete ihm auf dem Weg nach Damaskus – „nicht weit vor der Stadt“ – in einer vision;ren Lichterscheinung der auferstandene Jesus selbst. Dieser habe ihn mit seinem hebr;ischen Namen angerufen: Saul, Saul! Warum verfolgst du mich? Er habe zur;ckgefragt: Wer bist du, Herr? Darauf habe die Stimme geantwortet: Ich bin Jesus, den du verfolgst! Danach sei Paulus in der Folge f;r mehrere Tage erblindet und habe nichts essen k;nnen, bis ihn ein anderer Urchrist im Namen Jesu geheilt habe. Daraufhin habe er sich taufen lassen und begonnen, Jesus als Sohn Gottes zu verk;nden.
Diese erz;hlerischen Motive (Licht und Stimme vom Himmel her, Blendung, Abkehr von fr;herem Lebenswandel) lehnen sich an Berufungstexte der Prophetie im Tanach an. Sie veranschaulichen die vollst;ndige Umkehr des Paulus: Durch die unmittelbare Begegnung mit Jesus Christus habe er Gottes wahren Willen und das todesw;rdige Unrecht seines ganzen bisherigen, der Christenverfolgung gewidmeten Lebens erkannt und nun das verk;ndet, was er zuvor verfolgt hatte. Durch diese erz;hlerische Ausgestaltung wird das Ereignis oft als Bekehrung gedeutet, etwa beim kirchlichen Fest Pauli Bekehrung oder durch Gem;lde wie Die Bekehrung des Paulus von Pieter Bruegel dem ;lteren.
Redewendung
Im Volksmund wird der Ausdruck umgangssprachlich von seiner neutestamentlichen Bedeutung gel;st und allgemein auf ein einschneidendes Erlebnis bezogen, das eine Richtungs;nderung im weiteren Lebenswandel bewirkt. Verwandt sind die Ausdr;cke „Aha-Erlebnis“ und „Schl;sselerlebnis“.
Manchmal wird das Damaskuserlebnis auch mit der Redewendung vom Saulus zum Paulus ausgedr;ckt. Dieser Namenswechsel ist jedoch im NT nicht belegt.[1] Dort nennt Paulus sich selbst nie Saulus und erw;hnt keinen Namenswechsel. Nach Apg 13,9 trug er einen Doppelnamen, wie es im Diasporajudentum ;blich war, und wurde je nach Adressatenkreis wahlweise mit dem hebr;ischen oder griechischen Namen genannt. Bis zu dieser Stelle nennt die Apostelgeschichte ihn nur Saulus, danach nur noch Paulus. Diesen Wechsel beschreibt sie also erst vier Kapitel nach dem in Apg 9 geschilderten Damaskuserlebnis. Dieses erfolgte in der Paulusbiografie etwa 15 Jahre vor den in Apg 13 geschilderten Ereignissen.
F;r eine Wende in der Entwicklungspolitik hat Franz Nuscheler 2003 den Begriff Damaskuseffekt gepr;gt.[2]
Siehe auch
Bu;e (Religion)
Nachfolge Jesu
Literatur
Michael Reichardt: Psychologische Erkl;rung der paulinischen Damaskusvision? Ein Beitrag zum interdisziplin;ren Gespr;ch zwischen Exegese und Psychologie seit dem 18. Jahrhundert. Katholisches Bibelwerk, Stuttgarter biblische Beitr;ge 42, Stuttgart 1999, ISBN 3-460-00421-5
Christian Dietzfelbinger: Die Berufung des Paulus als Ursprung seiner Theologie. Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament 58, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1985, ISBN 3-7887-0771-2
Weblinks
Commons: Damaskuserlebnis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelbelege
In der Apostelgeschichte trug er den Namen Saulus (Apg 9,1-9 EU)
Franz Nuscheler: Auswirkungen des 11. September 2001 auf die Entwicklungspolitik, INEF, 1. Ein entwicklungspolitischer Damaskuseffekt?
Kategorien: Paulus von TarsusBiblische RedewendungPerikope des Neuen Testaments
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