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Nibelungentreue

Nibelungentreue ist ein Schlagwort, das eine Form bedingungsloser, emotionaler und potenziell verhaengnisvoller Treue beschreibt. Es geht auf den mittelhochdeutschen Begriff der triuwe, der die personale Bindung im mittelalterlichen Lehnssystem beschreibt, zurueck.



Bezug zur Nibelungensage

Der Bezugspunkt zur Sage bzw. dem mittelalterlichen Epos Das Nibelungenlied liegt darin, dass in der Rezeptionsgeschichte die „Treue“ stets als Quintessenz des Nibelungenliedes angesehen wurde. In diesem Fall ist es das uneingeschraenkte Einstehen eines Herren f;r seinen Vasallen. Hagen von Tronje hat sich des Mordes an Siegfried, dem Mann Kriemhilds, schuldig gemacht und Kriemhild fordert Rache. Die Mitschuld ihrer Brueder, der Burgunderkoenige Gunther, Gernot und Giselher, ist diffuser und unterschiedlich gro;. Kriemhild ist bereit, ihnen zu verzeihen, wenn sie ihr Hagen ausliefern. Dies verweigern die Burgunder:


„Das wolle Gott verhueten“, erwidert' Gernot ihr.
„Und waeren unser tausend aus deiner Sippe hier,
Wir wollten lieber sterben, als dass wir einen Mann
Hier als Geisel gaeben: das stuende uns wohl uebel an.“
[...] „Man findet an mir keinen, der einem Freund die Treue bricht.“

Uebersetzung: Helmut de Boor

Die Koenige sind eine rechtlich verpflichtende und emotionale Bindung zu ihrem friunt (ihrem Freund und entfernten Verwandten Hagen eingegangen. Letztendlich f;hrt die Unmoeglichkeit, Hagen von ihnen zu isolieren, mit der Kriemhild konfrontiert wird, zum blutigen Untergang.

Fuerst von Buelows Rede im Reichstag

Der Begriff Nibelungentreue wurde von Reichskanzler Bernhard Fuerst von Buelow in seiner Rede im Reichstag am 29. M;rz 1909 waehrend der Bosnischen Annexionskrise erstmals gebraucht. Im Speziellen ist damit die unbedingte Buendnistreue des Deutschen Reichs zu Oesterreich-Ungarn angesichts der zunehmenden Isolierung der Mittelmaechte gemeint, die vor allem ab 1904 durch die Entente cordiale zwischen Frankreich und Grossbritannien offensichtlich wurde. Da dieser Vergleich jedoch mit blutigen Assoziationen verbunden ist, versuchte von Buelow zugleich, durch einen Hinweis auf die friedenssichernde Kraft der Treue dem Begriff seine grausame Konnotation zu nehmen.

Nibelungentreue in der Zeit des Nationalsozialismus

Die Nibelungentreue war ein stehender und gegen Ende des Zweiten Weltkrieges immer staerker propagierter Kampfbegriff in der Zeit des Nationalsozialismus. Meine Ehre heisst Treue war der Wahlspruch der SS. „Treue“ als Leitidee war dem diktatorischen System, aber auch in der tatsaechlichen Politik wichtig; Hitler erwartete von den Verantwortlichen im Reich und von allen Soldaten eine durch Eid zu bekraeftigende persoenliche Loyalitaet – aehnlich der angeblichen germanischen Gefolgstreue. Dadurch sollte das ganze Volk mit Hitler zu einer Einheit (zu einem „Volksk;rper“) zusammenwachsen. Neben der innenpolitisch wichtigen Treue gab es auch eine aussenpolitische Parallele zum Nibelungenlied. Hitler agierte militaerisch mit gro;em Risiko, sodass mit enormen Menschenopfern, ja sogar mit dem eigenen Untergang zu rechnen war.


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