Nachwort

Ist der Aphorism mehr als ein Satz lang, kommt sein Sinn zu kurz ... "


Nicht von ungefaehr haben wir mit Elke Liebre unser  "Gefluegeltes Holzpferd" Ludwig Wittgenstein gewidmet. Schliesslich gilt der gebuertige Wiener, dessen 130-jaehriges Geburtsdatum  im kommenden Jahr gefeiert wird, als einer der bedeutendsten Sprachphilosophen des 20. Jahrhunderts.

Wittgenstein, der kuehnes Denkgebaeude zur Philosophie der Logik, der Sprache und des Bewusstseins schuf, fasst Sprache als Spiel auf.
Fuer mich ist der beruehmte Denker nicht zuletzt mit seiner Sprachspieltheorie so etwas wie ein Bruder im Geiste.
Allgemein kann man unter Sprachspiel jede Form der sprachlichen Aeusserung innerhalb eines praktischen Kontexts verstehen. Wittgenstein betont dies mit dem Begriff, dass „das Sprechen der Sprache ein Teil einer Taetigkeit, oder einer Lebensform ist“.
"So lange ich Liliputins schreibe, solange lebe ich " - ist dagegen mein Existenzmotto.
Der Aphorismus hat im deutschsprachigen Raum eine lange Tradition.
Auf Georg Christoph Lichtenberg im 18. Jahrhundert folgen u. a. Johann Wolfgang von Goethe, Jean Paul, Friedrich Schlegel, Novalis, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, Karl Kraus, Franz Kafka und last but not least Ludwig Wittgenstein. Noch zu Lebzeiten von Wittgenstein wird der Aphorismus als eigenstaendige Prosagattung akzeptiert.

Meine eigene Sprachphilosophie ist, wie ich glaube, keinen Steinwurf von Wittgenstein entfernt. Fuer mich ist Schreiben denken. Eine zunaechst nebelhaft erscheinende Wortspiel-Idee nimmt im Wechselspiel von Denken und Schreiben Gestalt an. Mein Grundsatz: Ich kann nur etwas Gescheites aufs Papier bringen, wenn es sich nur in einem Satz formulieren laesst. Dabei moechte ich das Zahlwort "einem" betonen. Ansonsten lohnt es sich fuer mich nicht.
Ich bin fest ueberzeugt, dass nur der Satz oder ein einzelner Gedanke, der Hand und Fuss hat, ein Atom der Sprache ist. Andersrum ist jeder abgeschlossener Satz oder Gedanke auch ein Weltall an sich.
 
Auch nach Wittgensteins Lesart zerfaellt die Wirklichkeit in „Dinge“ (die sich zueinander verhalten): Jedes „Ding“ habe in der Sprache einen „Namen“. Bedeutung erhielten diese jedoch erst durch ihr Zusammenstehen im Satz.

Innerhalb von Wittgensteins eigenem Werk sind Sprachspiele oft bestimmte Gedankenexperimente, in denen ein eng umrissener Gebrauch von Worten dargestellt wird, um an einfachen Beispielen ihre Verwendungsweise zu studieren. Diese Sprachspiele sind von der Sprache des Alltags zu unterscheiden. Wittgenstein versucht allerdings mit ihnen bestimmte Aspekte der Sprachpraxis im Allgemeinen zu erlaeutern. Die genaue Darstellung von Sprachspielen dient bei Wittgenstein zumeist dem Zweck, das Entstehen philosophischer Probleme auf missverstandene Sprachspiele zurueckzufuehren.
Eine seiner Weisheiten - die wohl am haeufigsten zitierte - lautet:
"Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt."
So mein Versuch durch Aphorismen ueber die Grenzen der deutschen Sprache hinauszubrechen bedeutet meine Welt zu erweitern.
Das Paradoxe dabei ist, dass sich meine Welt mit Hilfe der mehr und mehr schrumpfenden aphoristischen Liliputins vergroessert.
Ich moechte nicht mit meinem Nachwort anderen das Denken ersparen, sondern, wenn es moeglich waere, jemand zu eigenen Gedanken anregen und damit sie
auf die lange Fahrt  hinter die imaginaere Horisontlinie zu schicken, um den eigenen geistigen
Gesichtskreis zu erweitern.
Gute Reise und viel Spass !

Yury Lobo


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