Zeit gereifte Karies

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Manchmal sitze ich so da in meinem
 imaginaeren Elend, das nach Aussen aehnlich bescheuert wirken muss wie der imaginaere, da offenbar eingebildete Freund und denke mir, man sollte irgendetwas machen, irgendwohin gehen, irgendwie einfach mal irgendwas sein.

Endlich mal irgendetwas machen aus dem eigenen Leben, all den einzelnen Stunden und ganzen Tagen. Nicht immer bloss dasitzen und ueber irgendetwas diskutieren oder heulen, nicht wissen wohin mit sich selbst und der laestigen Angst, die einem in den Knochen sitzt, andauernd alles zerdenken oder befuerchten, in sich hinein und zuverlaessig knapp an jener einen Stelle vorbei blicken, wo es weh tut, bohrend wie ueber die Zeit gereifte Karies – verdammt... weh.

Ja, vielleicht sollte man endlich mal irgendwohin gehen und wenn man dann da ist, irgendetwas machen. Bloss, wohin soll man schon gehen, solange man sich selbst dabei mitnehmen muss?

Da kann man ja gleich hierbleiben und Daeumchen drehen, waehrend man so dasteht und auf die eigenen Schuhe starrt aus Angst, irgendjemand koennte einen ansprechen und bitten zur Seite zu gehen oder – weitaus schlimmer – fragen, wie es denn geht und was man so tut.

Dann muesste man naemlich ehrlich sein und zugeben, dass man im Grunde nicht wirklich viel tut, ausser dazusitzen und ueber irgendetwas zu diskutieren oder zu heulen, nicht zu wissen wohin mit sich selbst und all der laestigen Angst, die einem in den Knochen sitzt, andauernd alles zu zerdenken oder zu befuerchten, in sich selbst hinein und zuverlaessig knapp an jener einen Stelle vorbei zu blicken, wo es weh tut, bohrend wie ueber die Zeit gereifte Karies – verdammt... weh.

Das wuerde man natuerlich alles gar nicht gestehen wollen, weshalb man sich lieber umdrehen und einfach weggehen saehe. Da man sich selbst dazu aber wohl oder uebel mitnehmen mьsste, wдren die eigenen Gedanken dabei randvoll mit der Frage danach, weshalb man nicht einfach mal etwas macht aus seinem Leben. Dann kцnnte man auf Fragen wie jene danach, was man denn so macht, antworten, ohne dass der Puls von Null auf 175 hochklettert und die Laune postwendend auf minusachttausend Grad Celsius absinkt.

Oder, ich wiederhole mich, man kцnnte auch einfach irgendwohin gehen. Einfach irgendwohin gehen waere streng genommen ja auch irgendetwas machen, also haette man damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Und wuerde man nicht hierbleiben, koennte einen darueber hinaus auch nicht irgendjemand fragen, wie es denn geht und was man so tut. Und selbst wenn.

Dann taete man ja tatsдaechlich irgendetwas, eben irgendwohin gehen, was allemal besser klingt als dasitzen, diskutieren, heulen und nicht wissen wohin mit sich selbst und der Angst, die einem in den Knochen sitzt, alles zu zerdenken oder zu befьrchten und in sich selbst hinein und zuverlaessig knapp an jener einen Stelle vorbei zu blicken, wo es weh tut, bohrend wie ueber die Zeit gereifte Karies – verdammt... weh.

Bloss, was soll man denn schon machen, wohin soll man gehen, solange man sich selbst dabei mitnehmen muss? Ich meine, da kann man ja gleich hierbleiben. Soviel zum Thema »einfach mal irgendwas sein«. Ist bleiben nicht eigentlich auch etwas machen, da man sich ja zum Bleiben entscheiden muss? Natuerlich bleibt man selbst beim Hierbleiben stets mit hier, das laesst sich nun mal nicht aendern. Einzig, dass einen das stoert, kцnnte man womoeglich aendern, irgendwann.

Irgendwann, da man sich aufrichtet in seinem eigenen imaginaeren Elend, das nach aussen aehnlich bescheuert wirken muss wie der imaginaere, da offenbar eingebildete Freund und statt den ueblichen Gedanken darueber, dass man irgendetwas machen sollte, irgendwohin gehen, irgendwie einfach mal irgendwas sein, einfach ist. Sich selbst zum Beispiel. Und es einen kein bisschen stoert.
 Dann koennte man irgendwohin gehen oder auch dableiben, machen was man will oder auch nicht und ganz einfach sein, was (und wer man) ist. Man koennte dasitzen, in sich hinein und zuverlдssig genau dahin blicken, wo es weh tut, bohrend wie ueber die Zeit gereifte Karies – verdammt... gar nicht mehr ganz so weh.


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