Nur an Freunde XVI

Teilen erwuenscht und erlaubt

Ins Leben finden

Was kann der Mensch anderes wuenschen, als ins Leben zu finden. Ueberall da jedoch, wo wir unerbittlich Widersprueche aufloesen wollen, innere Kaempfe leugnen, dort wo wir aufhoeren zu zweifeln und zu fragen, dort wo wir aufhoeren an der Welt wie sie ist, zu leiden, finden wir nicht ins Leben, finden wir nur in das Verlies unserer Angst, die uns bewahren will vor dem was sticht, doch auch vor der Wahrheit darunter.

Zwischen der erfahrbaren Vollkommenheit der Schoepfung und ihren Wunden liegt eine Spannung. Zwischen der Bestimmung, die wir so oft erahnen, und dem freien Willen, den wir so oft nicht zu nutzen wissen, liegt eine Spannung. Zwischen der Reue, die wir ueber unser Versagen empfinden und der Kraft, die wir aus dem Willen zur Wiedergutmachung schoepfen, liegt eine Spannung. Zwischen der Hingabe noch, die alles gibt, und dem Alleslassen, das sie eigentlich ist. Zwischen dem Willen zur Veraenderung, und der Gewissheit, dass in allem etwas Unveraenderliches wohnt. Zwischen der Klage und dem Dank. Dem Ewigen und der Bruechigkeit der Erscheinungen.

Und ins Leben zu finden, das kann nicht bedeuten, diese Spannung zu leugnen, sie aufloesen zu wollen oder sie zu fuerchten. Ins Leben zu finden, und dies ist zugleich Spirituell-Sein, bedeutet, diese Spannung zunaechst auszuhalten und dann auszutragen. Als Frage, die Antwort sucht, und als Antwort, die neue Fragen hervorbringt. Als Verstehen in Gedanken, Herz und Hand, das sich in unseren Begegnungen ereignet. Und der Schmerz wird so ein anderer, weil er nicht laenger der Schmerz der Versagung ist. Und die Liebe wird so eine andere, weil sie endlich eine Liebe zum Du ist)