Die stillen Heiligen

Die stillen Heiligen

Die Menschen, die mich am tiefsten beruehrt und bewegt haben, das waren nicht diejenigen, die von Erwachen sprachen, nicht diejenigen, die einen Gott predigen, nicht die, die mir erklaeren wollen, wie mein Leben in Ordnung kommt. Es waren nicht die, die den Anspruch hatten, mich zu heilen, oder solche die glaubten es besser zu wissen. Es waren nicht die, die auf alles eine Antw...ort haben und auch nicht die, die jede schmerzliche Situation ueberlegen anzulaecheln trachteten. Es waren keine Menschen, die behaupteten, frei von Ego oder Verstrickung zu sein, weder solche, die Stimmen hoerten, noch solche, die erhebende Erscheinungen hatten. Es waren nicht die ewig jungen, dynamischen, erfolgreichen menschlichen Schlachtschiffe, die in einsamem Triumph durch das Meer des Lebens fahren, noch waren es Menschen, deren Haende hart sind von der Gewohnheit, alles im Griff zu haben.

Die Menschen, die mich am tiefsten beruehrt und bewegt haben, das waren diejenigen, die still taten, was viele tun, doch ohne sich zu br;sten oder zu klagen. Das waren diejenigen, die mir zuhoerten, wenn es darauf ankam. Die das Gute in mir sahen, das ich selbst laengst vergessen hatte. Die gut zu mir waren, auch wenn ich es nicht verdient hatte. Das waren diejenigen, die fragten, anstatt zu meinen, und wissen wollten, anstatt zu urteilen. Das waren diejenigen, die sich zeigten, auch auf die Gefahr hin, ausgeliefert zu sein. Die sich hingaben, auch auf die Gefahr hin, nicht gehalten zu sein. Das waren die, die bereit waren, mit mir in die Finsternis zu gehen, anstatt mich ins Licht zu zerren. Das waren die, die von ihrem Scheitern sprachen, ohne das rasende Schwert der Besch;nigung zu schwingen. Jene, die auf ihren Grund gesunken waren, von dem mich uferlose Blueue groesste, so wehmuetig leise in einer tosenden Welt. Die stillen Heiligen, an die wir uns oft erst erinnern, lange nachdem sie aus unserem Leben verschwunden sind.

Wessen Stimme vertraust Du? Welcher Hand vertraust Du Dein Leben an? Dort, wo wir Antworten suchen, sind wir so leicht zu blenden, leicht zu troesten und zu verfuehren. Es ist an der Zeit, neu hinzuhoeren, neu hinzusehen, und zu bejahen, dass der Schleier der Taeuschung fallen will. Randvoll sind wir mit Kontakten, doch arm an Begegnung. Randvoll mit Vernetzung, doch arm an Gemeinschaft. Randvoll mit Erklaerungen, doch arm an Gewissheit. Vertagt ist alle Weisheit, die uns von Karma, Erloesung, Aufloesung erzaehlt. Ein tiefer Wunsch wird wach und wacher, den Menschen wirklich zu sehen, und wirklich gesehen zu sein – hineinzuwachsen in das Leben, das wir uns eben noch erklaeren lassen wollten, in den Moment, den wir gerade noch missachteten, auf der Suche nach dem Sinn dahinter.

Rilke sagte es in so tiefem Wissen, im Stunden-Buch:

Kein Jenseitswarten und kein Schaun nach drueben
Nur Sehnsucht, auch den Tod nicht zu entweihn
Und dienend sich am Irdischen zu ueben
Um seinen Haenden nicht mehr neu zu sein.

Und wo sonst liegen unsere Haende, wenn nicht in der Seinen:

Lass Dir alles geschehn: Schoenheit und Schrecken.
Man muss nur gehen: Kein Gefuehl ist das fernste.
Lass dich von mir nicht trennen.
Nah ist das Land,
das sie das Leben nennen.
Du wirst es erkennen an seinem Ernste.
Gib mir die Hand.


Рецензии
Мир изменился в осеннем безумии,
В шорохе листьев услышишь, увидишь ли?
Вновь холодает, тревожно и суетно
Ветер играет чужими обидами

Медведева Агата   14.11.2015 19:46     Заявить о нарушении
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