Ursprung

Ich wende meinen Kopf dem Himmel zu und sehe ein Gewitter sich zusammenziehen. Der starke Wind kommt allmählich auf und durchdringt meinen zerbrechlichen, durchsichtigen Körper und hinterlässt eine eisige Kälte.Die ersten Regentröpfchen prasseln auf meine Haut. Ihre Wucht reißt sie und bricht meine Knochen. Bald stehe ich am Meer, nur noch aus einem luftreichen und leicht schimmernden Ich bestehend. Plötzlich zeichnet sich ein Riss in der Wolkenschicht ab, durch den das Mondlicht meine Seele speist. Die Knochen, das Fleisch und schließlich die Haut fingen an, meine nackte Seele zu bekleiden. Ich atme die süße feuchte Luft mit meinem neuen Körper ein. Die Wärme verbreitet sich in meinen Adern, aber als ich gesiegt zu haben wähnte, verschwindet der Mond und an seine Stelle tritt die Sonne, die mein neues, reines Fleisch auszutrocknen beginnt. Meine Haut verkrustet, verkohlt und platzt. Ich versuche zu schreien, wegzulaufen, was mir jedoch misslingt. Mein Fleisch wird gebraten, entsaftet, schließlich fällt es von meinen Knochen wie Sand zu Boden.Nun sind meine Knochen an der Reihe.Wieder schwebe ich über den zu Sand gewordenen Körper.Die blutrünstige Sonne setzt ihre zerstörerische Tätigkeit mit der neuen Wucht fort.Mein Letztes, mein Ich, meine Seele verdunstet allmählich. Als nur ein geringer, unbedeutender Teil meiner Essenz ohne Gedanken, ohne Emotionen übrig bleibt, verdecken die Wolken die gleichgültige Sonne. Die Wolkenschicht wird immer dichter, sie sinkt ab. Das Meer, der Strand, die ausgerissenen Bäume verschwinden. Nur das Grau umhüllt die Reste meiner Seele. Das Grau entzieht sehr langsam und qualvoll ein kleines Teilchen meines Ich nach dem anderen. Diesmal gibt es keine Kraft, die meine Seele zu retten vermöchte. Ich erlösche.


18.5.2001 (9:55-10:35)


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