Advokat Martian - 4

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Aurelia
Ja, vielleicht...
Wozu ich sollte sehen, wie ein Maedchen,
So jung und schoen, auf der Arena stand,
Als eine weisse Lilie erbluehte
Auf goldnem Felde? Und wozu ich hoerte,
Wie ihre Stimme mit der Aeolsharfe
Ertoente sanft, als sang sie „Halleluja!“
Wozu, wozu erblickte ich den Purpur
Lebendig? ... Ich verstehe jene Menschen,
Die damals aus dem Amphitheater
Zum Ringe rannten, wie in Wahnsinn schreiend:
„Wir sind auch Christen!“
(Ihre Stimme erhebt sich hysterisch)

Martian
Ruhe, Tochter, bitte.

Aurelia
(lacht nervoes)
Was? Du hast Angst, erhoeren jetzt die Menschen
Dort auf der Strasse, wie wir, abgeschlossen,
Bekennen uns zu Christus? Hast du Angst?

Martian
Ich muss mich doch abschliessen.


Aurelia
Ja, ich weiss.
Und moechtest du, dass ich den Mund zumache,
Und nur in meinem Herzen Gott anbete?
Ich habe recht, so ist dein Wunsch?

Martian
(still, demuetig)
Ja, Tochter.

Aurelia
Dann musst du, Vater, wissen, ich kann nicht
So tun. Ich sollte alles ja vergessen,
Was ich im Zirkus sah, um nur zu schweigen.
Und wenn ich das vergessen muss, dann soll ich
Auch dich verlassen jetzt.

Martian
Warum denn, Tochter?

Aurelia
Vielleicht, vergesse ich die weisse Lilie,
Wenn ich als eine Rose selbst erbluehe,
Nicht heilig, aber herrlich! Um die goldne
Arena zu vergessen, moechte ich,
Dass sich ein goldner Teppich ausbreitet
Vor meinen Fuessen, dass die lauten Spiele
Die sanfte Aeolsharfe uebertoenen.
Gedenke ich nicht mehr des Purpurblutes,
Wenn rote Seidenschleier mich umschlingen,
Und beste Jugend unbesonnen schreit
Zu mir: „Wir sind all deine Sklaven, Schoene!“

Martian
(sieht entsetzt auf sie)
Aurelia! Woher sind diese Traeume?

Aurelia
Von meiner Mutter.

Martian
Sie hat dich gelehrt?

Aurelia
Sie hat das mir im Blute uebergeben,
Ich bin ihr Kind.

Martian
Nicht meines?

Aurelia
Du hast selbst
Mir deine Erbschaft gaenzlich weggenommen.
Du hast mein Herz geschlossen schon, indem
Den Mund mir zugemacht. Und ich will nicht
Aufhorchen, was dort stoehnt wie im Gefaengnis,
Mag auch das Stoehnen sterben... Lass mich doch
Zur Mutter gehen.

Martian
Meinst du, dich erwarten
Sofort da Gold und Purpur?

Aurelia
Mutter sagte,
Ihr soll bald gutes Geld zuteile werden.

Martian
Und weisst du nicht, wo soll das Geld herkommen?

Aurelia
Ich fragte nicht. Ist endlich mir egal.

Martian
Sie will mir eine Haelfte meines Gutes
Durch das Gericht abnehmen lassen.


Aurelia
(unangenehm ueberrascht)
So?

Martian
Wahrscheinlich, ruft sie auch dich dafuer,
Bekommt sie dann mehr Rechte am Vermoegen.

Aurelia
Das sag mir nicht! Ich will das nicht beachten!..
Die Mutter will Vermoegen dir enteignen,
Das ist nicht gut... Doch, lass mich ueberlegen...
Mag sein, gehoert das wirklich ihr zu recht.

Martian
(schroff)
Schon wirklich ueberlegt!

Aurelia
Nun, was auch immer,
Die Mutter hat dir selber abgegeben
Die besten jungen Jahre ihres Lebens.

Martian
Schaem dich! Was Dummes muss ich jetzt erhoeren!
Du meinst, so soll es wirklich sein, dass Frau
Fuer;s Geld ihr Leben teilweise verkauft
Mal einem, mal dem anderen? Wenn ja,
So gehe weg, du bist nicht meine Tochter!

Aurelia
(auch in Zorn geraten)
Nicht deine, ja! Und will ich dein nicht sein!
Denn das bedeutet – alles abzugeben,
Die ganze Seele, ganze Schoenheit, Jugend,
Sich abzuschliessen, aus der Welt zu scheiden,
Und was hat man dafuer? Das Sklavenschicksal,
Langweilig, sinnlos, graues Dasein!

Martian
Man koennte aber fuer das Geld noch dulden,
So meinst du?

Aurelia
Meine Meinung schon gesagt,
Mehr habe ich mit dir auch nicht zu sprechen.
(Wendet sich um zu gehen, bleibt aber im Gehen stehen.)
Die Mutter macht sich morgen reisefertig,
Bald faehrt sie nach Aegypten mit dem Ehemann,
Der wurde dorthin als Legat von Caesar
Geschickt. Und wenn zu ihr ich heute komme,
Sie nimmt mich nach Alexandria mit.
Dort werde ich wie eine Koenigstochter
Schon leben!


Martian
Als die Tochter Kleopatra;s?
Aurelia warf schweigend auf den Vater  einen Blick, voller Hass,
und lief schnell die Stufen  herauf.

Martian
(Stuerzte sich mal ihr hinterher, aber blieb stehen)
Nein...was kann ich ihr sagen?
(Setzt sich kraftlos auf eine steinerne Bank)
Wie unwuerdig,
Wie niedertraechtig! Warum sprach ich so?..

Aus einem Zimmer im Hintergrund des Peristilums tritt Valentus, ein Juengling, der Martian nicht nur durch sein Aeusseres, sondern auch durch seine Gestik aehnlich ist, doch wirkt er nicht so zurueckhaltend  und selbstbeherrscht wie der Vater.

Valentus
Gruss, Vater.

Martian
Ach, mein Sohn, wenn du nur wuesstest,
Was einen Kummer habe ich!

Valentus
Ich hoerte
Aus meinem Zimmer euer ganz Gespr;ch.

Martian
Und du?..

Valentus
Ich wuerde sagen, meine Schwester
Mag haben etwas recht.

Martian
Das meinst du, wirklich?

Valentus
(sanft, aber entschlossen)
Natuerlich, sprach nach Frauenart sie hitzig,
Und selbst dich anzusprechen fiel ihr schwierig.
Doch ich verstehe Aurelia. Ich fuehle
Mich selber so, als sei ich hier unnoetig.
Und wirklich, Vater, was wir nutzen dir?


Martian
Du fragtest nicht, wenn selbst du Kinder haettest.


Valentus
Ich weiss, du liebst uns. Und du kannst mir glauben,
Auch wir dich lieben.

Martian
Aber deine Schwester
Bewies das nicht.

Valentus
Nun ja...was soll man tun?
Wir beide sind nicht schuld daran, dass du
Von uns nicht Freude noch die Hilfe hast.
In deinem Haus duerfen wir nur sein,
Doch hier zu leben, das ist nicht gewagt,
Damit wir auf des Vaters schwerem Weg
Zum Stein des Anstosses nicht werden.
Freilich, waers
Nicht besser, wenn es uns bei dir nicht gaebe?
Wenn du uns wirklich liebst, so solltest du
Schon selbst bedauern, dass wir deinetwegen
Die Jugend so unnuetz vergeuden muessen.

Martian
Warum du sprichst von „uns“? Mag sein, dass ich
Die Tochter richtig nicht erziehen konnte,
Doch dich erzog ich anders. In der Schule
Als Kind du warst, und jetzt hast du Gesellschaft,
Ich hab; dich von den Menschen nicht verborgen.

Valentus
Das ist noch schlimmer, Vater. Und Aurelia
Weiss nicht, wie schwierig ist es unter Menschen,
Sonst wuerde ;ber „Wueste“ sie nicht klagen...
Dort in der Schule – musste ich mich taeglich
Nur plagen, denn die Schueler bei uns wurden
In „Roemer“ oder „Christen“ eingeteilt,
Die beiden Lager waren unversoehnlich,
Oft gab es Streite, manchmal Handgemengen,
Ein echter Krieg! Und beide mich verhoehnten,
Man nannte mich „ ein Laumann“ – noch jetzt
Ich trage diesen Namen unter Burschen,
Dafuer, dass ich – weil du das so befohlen! –
So tue, als seien Glaubensstreite mir egal.
Mit kaltem Herzen und den schlaffen Sinnen
Erscheine ich fuer Heiden und fuer Christen,
Und niemand weiss, was tobt mir in der Seele!


Martian
Der Herr weiss alles Heimliche, mein Sohn,
Er wird das dir vergelten.

Valentus
Was vergelten?
Was habe Gott zu Ehre ich getan,
Womit verdiene ich mir selber Ehre?

Martian
Von wem hast solchen Ehrgeiz du gelernt?

Valentus
Von dir. Ich hoerte mit Entzuecken ueber
Des Herren Einzug in Jerusalem,
Als eine Menge frohen Volkes rief:
„Hosanna dem Sohn Davids!“ und die Zweige
Der gruenen Baeumen seinen Weg bestreuten.
Das war doch ein Triumph!

Martian
Doch nicht der groesste.
Die grausamen Leiden wortlos duldend,
Sohn Gottes hat den Dornenkranz geruehmet
Vor allen Kronen... Das war der Triumph!

Valentus
Und jener nicht am groessten war. Im Himmel
Zu Vaters Rechten hat er Platz genommen
Und unter lauten Posaunen der Engel
Kommt er in Ruhm die Menschenseelen richten.

Martian
(fromm)
Ja, das erwarten wir. Doch solche Ehre
Gebuehrt nur Gott im Himmel, nicht den Menschen.

Valentus
Paulus der Apostel war ein Mensch,
Sein Name trotzdem in der Welt geruehmet.
Areopag und weise Philosophen
Vor ihm die hohe Stirn geneiget. Voelker
In allen Sprachen seinen Namen preisen.
Die Kirchen nennt man seine Leuchten. Vater,
Fuer solches Leben kann man alles dulden!

Martian
Nicht allen das gegeben ist.

Valentus
Ja, weiss ich.
Und solche Ehre ist mir nicht beschieden,
Weil Martian Emilian nicht wagt
Aus seinem Sohn den Prediger zu machen.

Martian
Der Sohn des Advokaten aber kann
Sich dem Beruf des Vaters auch anschliessen,
Natuerlich, scheint das nicht so majestaetisch...

Valentus
Ich schaetze, Vater, deine Aufgabe,
Doch finde kein Gefallen an Gesetzen
Mit ihren Kommentaren. Und die Faelle
Der Christen kommen auch nicht jeden Tag.

Martian
Und Gott sei Dank dafuer!

Valentus
Doch wenn schon ehrlich...
Fuer mich genuegte deine Ehre nicht.
Ich war ja beim Gericht, als du gesprochen.
Es wundert mich, wie du dort reden konntest!
Noch kaum warst du auf dein Pult gestiegen,
Da stand bereits Klepsidra - jener kalte
Zeitmesser, deren Tropfen unerbittlich
Dem Redner seine kurze Zeit abmessen,
Die fuer Verteidigung der Wahrheit zugeteilt.

Martian
Ja und, Valentus? Selbst Gestirne haben
Gewisse Zeit und Ordnung, wann und wie
Vom Himmel her die Erde zu beleuchten.
Die Ordnung bin gewohnt ich. Sei es denn,
Die Rede damals war misslungen?

Valentus
Nein,
Es scheint mir, sie gehoerte zu den besten.
Was ist schon dran? Fuer wenn zerstreutest du
Die Perlen der Vernunft? Fuer jene Greise,
Vertrocknet im Pergament, die nur suchten
Im Codex nach den Paragraphen, waehrend
Du Herz und Seele angesprochen hattest!

Martian
Sie muessen doch Gesetze hueten, Richter
Sind dazu da. Ich aber sprach zum Volke,
Es schien mir auch nicht gleichgueltig bleiben.

Valentus
Die Menge klatschte nicht, wenn du am Gipfel
Der Rednerkunst gestanden, sondern dann,
Wenn du zum  platten Land  hinabgestiegen.
Ich schaemte mich fuer dich bei dem Applaus!

Martian
Ist es denn immer so?

Valentus
Mag sein auch nicht,
Und doch ich fuehle mich betroffen, Vater.
Der letzte Prediger aus armer Vorstadt –
Der wird doch mehr, lebendiger geehrt,
Als du, der erste Advokat vor Orte!
Das wuerde ich nicht dulden!

Martian
Glaubst du,
Beruehmtheit sei die hoechste Auszeichnung?
Bringt uns allein der Lorbeer Ruhm und Ehre?
Kraftvolle Eiche, friedliche Olive,
Geweihte Palme – gleicht denn ihre Wuerde
Nicht der des Lorbeers?


Valentus
Magst du haben recht.
Doch jeder sucht das Seine. Meine Schwester,
Sie will doch eine Rose statt der Lilien,
Und mich verlangt nach Lorbeeren. So eben
Bin ich erschaffen – wenn bereits erprobt
All Mittel, um die Ehre zu erreichen –
Doch Prosa, Drama, Dichtung, Wissenschaft
Verrieten mich. Ich habe keine Neigung
Zum Schrifttum, mein Talent – das ist ein Wort,
Lebendig Amt, ich bin doch Sohn des Redners!
Bisher die Vorsicht sperrte mir den Weg,
Die mich umrang, wie eine graue Mauer.
Und ich versuchte sie auch nicht zu brechen,
Um deiner Aufgabe nicht zu schaden.
Doch jetzt ich fand noch einen Umweg, der
Wird dir den Weg schon sicher nicht abschneiden...

Martian
Und was fuer einen?

Valentus
In das Heer eintreten.

Martian
Du lieber Jesus!..

Valentus
Bist du so entsetzt?
Dort dienen aber manche Christen.

Martian
Ja,
Sie dienen dort, weil sie gezwungen wurden.
Und du – du sollst freiwillig Blut vergiessen,
Die Caesaradler tragen, Ehrenkraenze
Empfangen von unreiner Hand!

Valentus
Denn Reine
Bereiten keine Kraenze fuer mich vor.
Ich darf die Menschenseelen nicht beschuetzen
Vor Fuerst der Finsternis, so werde ich
Die Horden der Barbaren dort verjagen,
Wo Kaempfe immer toben – dort auch niemand
Nach Glauben mich fragt, nur Tapferkeit
Und gutes Schwert dort wiegen – das ich habe.
So gehe ich heute in die Legion.

Martian
Schon heute?..

Valentus
Ja, warum noch zoegern? Alles
Bei mir ist fertig, morgen bricht man auf.

Martian
Valentus! Sohn!

Constantius
(tritt ein)
Verzeih du mir, Patron,
Dass ich dich stoere. Bruder Isogen
Ist da gekommen, er hat etwas dringend.

Martian
Geleite ins Tablinum.

Constantius geht.

Ich will spaeter
Mit dir darueber sprechen, sei zu Hause.

Valentus
Gut, eine zeitlang kann ich hier noch bleiben.

(Geht durch das Peristilum in sein Zimmer)