Nur dafuer, dass sie Juden waren...

Лев Постолов
Lev POSTOLOV (EPELFELD).

DAS GESCHAH IN BERDITSCHEW IN DIE JAHREN 1941 - 1944 .
(Eine aus der blutigsten Chroniken des Holaucausts ).


Autoru:berlegung des Essays " Это БЫЛО в Бердичеве (1941-1944 г.г. )"   
             ( http://www.proza.ru/2010/03/09/1318 )
in der Bearbeitung von Karin und Manfred Buckhaus und Christa Pullman.



"Die Geschichte schreibt man,
man schreibt nicht alles,
man schreibt um,
und schreibt man weiter ."

Ilja ERENBURG, Schriftsteller.


In der Geschichte der menschlichen Zivilisation kennen wir, leider, viele Beispiele, wie
geschichtliche Ereignisse und Fakten falsch u:berliefert werden oder wissentlich vera:ndert werden. Das kann sofort nach den Ereignissen geschehn oder auch wesentlich spa:ter.   

Im Jahre 2001, - in dem ersten Jahre des dritten Jahrtausends, - haben die Teilnehmer der Konferenz der Premjerminister von La:ndern der arabischen Liga einen pra:zedenzlosen Beschluss gefasst. Sie beschlossen mehre Millionen bereitzustellen zur Finanzierung  einer Studie, - wie in der Pra:ambel dieses "Dokuments" geschrieben steht, -  um die Legende vom Holaucaust an der europeischen judischen Befo:lkerung im 2. Weltkrieg blosszustellen und die Anzahl von 6 Millionen Opfern zu entkra:ften.

Die heutigen Judenhasser wollen die blutige Geschichte des 20.Jahrhunderts  umschreiben und alle Kunde u:ber den Holaucaust, den nazistischen Genozid an der judischen Bervo:lkerung von Europa, ausmerzen.

Am Anfang des Jahres 2006 erkla:rte der Pra:sident des Iran, eines Land, das Mitglied der UNO ist, dass er die Absicht  hat, den Staat Israel zu vernichten und zu vertilgen.

Und auch das schien dem neu eschienenen Pra:tendenten fu:r Endlo:sung der "judischen Frage" zu wenig. Am 10-te Dezember von Jahre 2006 versammelte sich im Iran eine "wissenschaftliche Konferenz" fu:r die Verneinung selbst der Tatsache des Holocausts.  Es hat nie, meinte man,  die nazistische Vernichtung des europeischen Judentums gegeben. Und wenn es den Holaucaust doch gegeben ha:tte, dann wa:re die Anzahl dessen Opfern, - 6 000 000 bestialisch geto:teter Menschen, - von den Juden ausgedacht, um von UNO ein Mandat zur Schaffung eines ju:dischen Staates im arabischen Pala:stina zu bekommen.

Niemals habe es, meinte man, in Pala:stina den judischen Staat gegeben, den die ro:mischen Kohorten angegriffen hatten.

Dir Vernichtung des europeischen Judentums durch die Nazis war ein grosses Unglu:ck und eine Schande fu:r die ganze menschliche Zivilisation.

Das judischen Volk, dessen Kultur eine Quelle der heutigen Zivilisation ist, wurde durch eben diese Zivilisation verraten.

Ich, Lev POSTOLOV, war noch keine fu:nf Jahre alt , als ich Ende Juni 1941 mit meiner Mutter Khava Vershkova aus Kiev nach Alma-Ata in Kasachstan evakuiert wurde.

Durch diesen Umstand waren wir nicht unter 35.000  kiever Juden, die von nazistischen Mo:rdern und ihren Helfern in der Schlucht von Babiy Jar erschossen wurden. Aber meine
72-jahrige Urgrossmutter Lea Rutgeiser war dort am 29.September ermordet.

Im Jahre 1943, nach der Befreiung Kiews von der Nazi-Okkupation, habe ich einen Film der deutshen Kriegsberichterstattung gesehen, in dem  die ganze Aktion der grausamen Vernichtung der Kiever Juden, -  Frauen, Kinder und alten Menschen, - genauestens dokumentiert worden war.

Die deutshen Kriegsfilmautoren haben jede Phase dieser blutigen Messe aufgezeichnet.

Fu:r mein ganzes Leben hat sich dieser Film tief in mir eingepra:gt  : wie die deutshen Soldaten mit Scha:ferhunden und die Schutzma:nner der ukrainischen Hilfspolizei eine nicht enden  wollende Menschenmenge zum Ort der Erschiessung trieben, wie ihnen dann ihre Wertgegensta:nde abgenommen wurden, wie sie mit Maschinengewehren erschossen und danach verbrannt wurden.

Viele Jahre konnte ich nicht verstehen, wie es geschehn konnte, dass Deutsche, Vertreter einer Kulturnation,  Millionen Menschen bestialisch ermordet haben, nur weil sie Juden waren.

Die Antwort auf diese Frage bekam ich, als ich den Film "Hitlerjugend" ansah.

Alles war einfach:
Einem zehnja:rigen Knaben aus einer guten deutschen Familie wird die Uniform der Hitlerjugend angezogen und befohlen, das von diesen Moment an nicht mehr wichtig sei, was Vater und Mutter und der Pfarrer in der Kirche sagen, sondern nur noch das, was Adolf Hitler sagt.

Nach nur acht Jahren in eine solchen Schule wird aus dem Knaben ein actzehn Jahre alter
Soldat, der mit Maschinengewehr kaltblutig in eine Menschenmenge mit Frauen, Kindern und Alten schiesst, die Leichen aufschichtet, sie mit Benzin u:bergiesst und verbrennt,- 35.000 Menschen am steilen Abhang von Babij Jar bei Kiew am 29 September 1941.

Das war also mit dem hochkulturellen christlichen deutschen Volk geschehn. Ich begann verstehen.

Und was kann dann mit einem muselmanischen Volk, einer nicht mit so hochstehnden Kultur,
geschehen?

Die Anfu:hrer des fundamentalistischen Pan-Islamismus flo:ssen ihren Anha:ngern ein, das Gott dem ju:dischen Volk und danach den Christen nur ein Teil der Wahrheit offewnbarte, aber dem Propheten Mohamed die ganze Wahrheit entdeckte. Und darum muss die ganze Welt zum Islam bekehrt werden, entweder friedlich oder auf dem Weg des heiligen Krieges, des Dschihads.

Das habe ich viel mehr als einmal von mohametanischen Arbeiter, Ingenieuren und Unternehmern geho:rt, als ich im Laufe von sieben Jahren auf verschiedenen Baustellen in
Israel als Ingenieur untervegs war.

Dschingis-Khan hatte keine Atomwaffe.

Hitler hatte auch keine Atomwaffe.

Aber iranische Pra:sident Achmadinedschad macht alles, um die Atomwaffe zu bekommen.

Um die Wiederholung des Holaucausts zu vermeiden, darf man niemals die blutigen Ereignisse und die Opfer der nazistischen Menschento:ter vergessen.


                1.

Unter den zahllosen Orten der grausamen Vernichtung der ju:dischen Bevo:lkerung wa:hrend
des Holaucaust 1933-1945 war auch die ukrainische Stadt Berditschew.

Seit alters her nannten die Juden Europas die Stadt Berditschew das Jerusalem von Wolyn, da in Berditschew eine der gro:ssten und bedeutendsten judischen Gemeinden Osteuropas wohnte.

Auch seine Entstehung verdankt Berditschew den Juden.

Rabby Admor aus dem Sta:dtchen Worka hat es seinen Chassiden so erza:hlt, dass Berdit- schew als ein ju:disches Sta:dtchen nicht weit vom Dorf Bistrich entstand, und zwar an
dem Ort im Wald, an dem der junge Graf Paskewitsch einmal den Juden Liber Aschkenasi
wa:hrend der Jagd fast zu Tode gepru:gelt hatte. Danach hatte der junge Graf zuerst seine Sprache verloren und dann wurde er vollsta:ndig gela:hmt.

Sogar die bessten A:rzte Polens, und unter ihnen auch A:rzte des Ko:nigs, konnten den Kranken nicht heilen. Da ging der alte Graf Paskewitsch zu Liber Aschkenasi und bat die-
sen flehntlich, zu Gott fu:r die Heilung seines Sohnes zu beten.

Rabby Lieber Aschkenasi  willigte ein unter der Bedingung, dass der Graf auf jener Wiese im Wald, wo Lieber Aschkenasi verpru:grlt worden war, eine Sinagoge bauen lasse und ein paar Ha:user fu:r obdachlose ju:dische Familien, die vor Pogromen und Verfolgungen
aus westeuropa:ischen La:ndern geflogen waren.

Und so wurde in dem ukrainischen Gebiet Wolyn die neue ju:dische Siedlung mit dem Namen
Berditschewka gegru:ndet.

Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus dieser Siedlung ein Sta:dtchen.
Nachdem dieses Sta:dtchen in den Besitz von Graf Radsiwill u:berging, bekam es den kurzen
Namen Berditschew.

Berditschew wurde beru:hmt, weil dort der beru:hmte Rabby Levi-Izchak
Berditschewer, der Schu:ler von Rabby Baal Schem Tow, gewohnt hat.

Spa:ter wurde Berditschew zu einem Zentrum der ju:dischen Gemeinden des Gebiets Wolyn geworden.

Im Jahre 1850 fand in Berditschew in einer ro:misch-katholischen St.Barbara-Kirche die
Trauung des Schriftstellers Honore de Balzac mit der polnischen Gutsbesitzerin Evelina Ganska statt.

Berditschew war auch die Heimatstadt der Bru:der Anton und Nikolaj Rubinstein, jener Komponisten, die die Konservatorien in Moskau und Sankt-Petersburg gru:ndeten.

In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wohnte der weltberu:hmte ju:dische Schrift-
steller Scholom Aleichem in Berditschew und schrieb dort seine Werke.

Auch der sowjetische Schriftsteller Wassilij Grossman wurde in Berditschew geboren und
verbrachte in dieser Stadt seine Jgendjahre.

Die ehemalige Klosterfestung des katholischen Karmeliterordens, von den Bewohnern Berditschews "die Festung" genannt, wurde in der Sowjetzeit unter Denkmalschutz gestellt. In einem seiner Geba:ude wurde Historischsmuseum eingerichtet.

In diesem Museum waren die Sa:le von Honore de Balzac, Scholom Aleichem und des
ukrainischen Dichters Taras Schewtschenko.
    
Vor der Oktoberrevolution von 1917 liess der Berditschewer Arzt Scherentis (der Onkel des spa:teren Schriftstellers Wassilij Grossmann) das Theatergeba:ude bauen, in  dem  das Berditschiwer Stadtheater gegru:ndet wurde.

Vor dem Jahre 1917 waren 80% aller Bewohner der Stadt Juden.

In der mitte der dreissiger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde in Berditschew das aktive kulturale ju:dische Leben fortgesetzt. Es gab in der Stadt ju:dische Schulen und eine
Zeitung, die in ju:discher Sprache gedruckt wurde.

Zu Beginn des Jahres 1941 gab es in Berditschew 22 Schulen mit 9600 Schu:lern, 17 medizi-
nische Einrichtungen, eine Lederfabrik, eine Schuhfabrik, das Maschinenbauwerk "Progres"
und andere.

In dieser Zeit hatte Berditschew 73 000 Einwohner, und etwa 50% (36 000) der Bevo:lkerung von Berditschew waren damals Juden. Zum Vergleich: in Kiev  wohnten damals 712 000 Menschen.

Bis zur Okkupation Berditschews durch die Hitlertruppen wusten diesen Leute nicht, welches Schicksal die Nazi mit ihrem Kriegsplan "Barbarossa" und ihrem "Drang nach Osten" fu:r sie vorgesehen hatten.

                2.

Das Endziel der Hitlernazis war die Weltherrschaft und eine stufenweise Vernichtung der
Bevo:lkerung aller La:nder, so dass nur noch die deutsche Nation auf dem Planet Erde le-
ben wu:rde.

Die erste Phase dieser kannibalischen Vernichtung wurde von den Nazis dem Juden und den Zigeunern zugewesen.

Spa:ter sollten die Polen, dann die Ukrainer, die Russen und alle anderen Vo:lker das Los
der Juden teilen.

Am Anfang des Zweiten Weltkrieges wurde in Hauptverwaltung des deutschen Reichssicherheitsamtes unter Fu:hrung von Adolf Eichmann die Abteilung fu:r Judenangelegenheiten geschaffen.

Im Laufe der Vorbereitungen des U:berfals auf die Sowjetunion wurde ein spezieller Komplex von Massnahmen ausgearbeitet, um in erster Linie die judische Bevo:lkerung in den
besetzten Gebieten zu vernichten.

Im Fru:hling des Jahres 1941 wurde von der Hauptverwaltung des Reichssicherheitamtes vier
Einsatzgruppen gebildet, die den Kampfgruppen der deutschen Wehrmacht, die sich auf den
Angriff auf die Sowjetunion  vorbereitete, zur Seite stehen sollten.

Viel spa:ter, als ein Leiter aus einer Abteilung des Reichssicherheithauptamts u:ber den
Zweck dieser vier Einsatzgruppen befragt wurde, antwortete er: "Sie waren beauftragt mit der Vernichtung  der Juden und der politischen Komissare der Roten Armee in den Bezirken der Kriegsoperationen auf russischem Teritorium".

Jede dieser Einsatzgruppen bestand aus 400 Mordgesellen. Darunter waren 75% von der Gestapo (geheime Staatspolizei) und 25% aus den Abteilungen des SD (Sicherheitdienst)
und der Kripo (Kriminalpolizei).

Die Einsatzgruppen waren in Einsatzkommandos gegliedert, die wieder aus Sonderkommandos  und noch kleineren Gruppen dieser Mordgesellen bestanden und den Felddivisionen angeglie-dert wurden.

Vorgesehen war auch die Schaffung spezieller Schutzpolizeiregimente aus Teilen der Bevo:lkerung der besetzen Gebiete zur Teilnahme an Strafaktionen der kriegerischen Okku-pationstruppen.

Die Instruktionen fu:r Einsatzgruppen aus dem Reichssicherheithauptsamt waren ho:hst einfach: 
"To:tet die Juden samt und sonders und verschont weder Frauen noch Kinder, dass keine Ra:cher nachwachsen ko:nnen".

Die Beraubung der ju:dischen Opfer zugunsten des Deutschen Reichs und ihre Vernichtrung in den besetzen Gebieten hatte sofort nach der Okkupation zu erfolgen. So war es vorge-
schrieben.

Auf Anordnung von Adolf Eichmann wurden alle Juden verpflichtet, enen gelben sechseckigen Stern (Davidstern) als Aufna:her auf Brustho:he zu tragen, um sie von der
nichtju:dischen Bevo:lkerung abzuheben.

Es wurde vorgeschrieben, dass die Juden, die dieses Zeichen nicht trugen, erschossen werden sollten.

                3.

Der Kriegsanfang am 22. Iuni des Jahres 1941 erschu:tterte Stalin und auch Bevo:lkerung
der Sowjetunion, obwohl er nicht unerwartet kam. Die Bevo:lkerung wurde durch die ha:ufige Durchfu:hrung von Luftalarmu:bungen und durch Radiou:bertragungen von Liedern wie "Wenn morgen der Krieg, wenn morgen Feldzug sein wird, seid zum Feldzug schon heute bereit!" daran gewo:hnt worden.

Am 1. Mai des Jahres 1941 habe ich, der viereinhalbja:hrige Knabe zusammen mit meinem Vater, Efraim Epelfeld, die Kriegsparade  in Kiew angesehen.

An den Parade nahm der Volkskomissar fu:r Verteidigung, Marschall Timoschenko, teil, der
die damals beendete Kriegsu:bung der Roten Armee in der Ukraine geleitet hatte.

Ein frischer Wind riss die Milita:rmu:tze von seinem glattrasierten Kopf und wehte sie
unter Beine seines Pferdes.

Ich ho:rte, wie jemand sagte : "Das ist ein schlechtes Vorzeichen! Es bedeutet Krieg! Man
riecht in der Luft das Schiesspulver!"

In der ersten Tagen des Krieges wurde in Berditschew, wie auch in der ganzen Ukraine, die Mobilisierung der Reservisten fu:r die Rote Armee durchgefu:hrt.

Es gabe auch viele Freiwillige.

In der letzten Tagen des Juni kamen die Flu:chtlinge nach Berditschew auf Pferdewagen und
zu Fuss, die  vor der nazistischen Armee in der Westukraine geflogen waren. Diese war der UdSSR im Jahre 1939 entschprechend dem Ribentrop-Molotov-Pakt nach der Aufteilung Polens zugesprochen worden.

Ein Teil von ihnen hatte wenige Tage zuvor im Stadtgarten zur Erholung haltgemacht.

Zwischen diesen Flu:chtlingen waren vor allem ju:dischen Familien, die nach der Invasion
von Nazideutschland aus Polen in die Westukraine geflogen waren. Sie wusten nicht nur aus Erza:hlungen, was die nazistische Okkupation fu:r die ju:dische Bevo:lkerung bedeutete.

In Jiddisch, in gebrochenem Russisch oder auf Ukrainisch warnten sie :" Die Deutschen sind wie Tiere! Sie werden die Juden nicht schonen!" 

Die alten Leute, die in Berditschew schon die Okkupation 1918 durch die deutshe Keiser- armee u:bergelebt hatten, glaubten ihnen nicht.

Im Juni wurde in Berditschew ein Vernichtungsbataillon fu:r den Kampf gegen feindliche Angriffsgruppen geschafft.

Anfang Juli wurde die heimliche Evakuirung der Familien  vom Bu:rgermeister, von Parteifunktiona:re und auch Leute von Gerichtsamts, der Stadtverwaltung, des Radiokomitees und der Redaktion der Stadtzeitung aus Berditschew durchgefu:hrt.

Die Evakuirung der Bevo:lkerung hat die Stadtverwaltung nicht organisiert.

Am 3. Juli des Jahres 1941 fuhren die letzten Zu:ge nach Osten  ab.

Alle sta:dtische Autos und alle Fuhrwerke wurden nach Kriegsanfang sa:mtlich fu:r die Rote Armee requiriert und der grosse Teil der Bewohner, die die Stadt nach diesem Tag
verlassen wollte, musste das zu Fuss verwirklichen.

Am Abend des 4. Juli, ungefa:hr um 7 Uhr, wurde Berditschew von einer grossen Menge deutscher Flugzeuge bombardiert.

Die Bomben zersto:rten einige Wohnha:user. Es gab viele Verwundete und Geto:tete.
Viele Bewohner sind danach  aus der Stadt zu Fuss ausgezogen, manche auf Pferdfuhrwerken.

Auch am Abend des 5. Juli wurde die Stadt von nazistischen Flugzeugen bombardiert.
Nochmal gab es die Verwundete und Geto:tete.

Am Sonntag, dem 6. Juli, verringerte sich der Strom der Flu:chtlinge.

Zum Abend des 7. Juli verliessen ( vom Kriegsanfang gesammt ) etwa 10 000 Bewohner die
Stadt. Die meisten von ihnen waren ju:dische Familien.

Am spa:ten Abend des 7.Juli ru:ckten die nazistischen Truppen in Berditschew ein.

Den ganzen Tag des 8.Juli fu:llte sich die Stadt fortwa:hrend mit den Truppen der Okkupanten. Aus Lastwagen riefen die Nazis: "Jden kaput!"

Wegen verschiedener Ursachen hatte der gro:sste Teil der ju:dischen Bewohner die Stadt noch nicht verlassen.

Und unter diesen Stadtbewohnern befand sich die Familie meines Grossvaters Assir Epelfeld: er selbst, seine Frau Esfir Erlich, seine 16-ja:herige Tochter Esfir Epelfeld, sein 13-ja:hrige Sohn Naum und auch seine Schwiegermutter Channa Erlich.

Und so erinnert Naum Epelfeld an die Umsta:nde seiner ersten Begegnung mit den Okkupan-ten :

"In der zweiten Tagesha:lfte des 7.Juli des Jahres 1941 fa:llte mein Vater nicht leichte
Entscheidung, aus Stadt fort zu gehen. Wir waren fu:nf - mein Vater, meine Mutter, meine 16-Ja:hrige Schwester Esfir, meine alte Grossmuter Channa und ich, ein 13-ja:hriger Junge.

Wir verliessen unsere Wohnung und schlossen uns dem dichten Strom der zuru:ckzienden
Truppen der Roten Armee und der flu:chtenden Stadtbewohner an.

Diese dichte Masse von Menschen, Waffen und Gera:ten bewegte sich langsam in die Richtung Bahnhof.

Bis zum Abend haben wir uns mit Mu:he bis Bahnhof geschleppt.

Der Bahnhof war von Leuten u:berfu:llt.

Bald ho:rten wir ein immer na:her kommendes dumpfes Geto:se. - Von Westen flog eine Armada der Nazi-Fludzeuge an.

Die ganze Menschenmenge stu:rzte los, um Deckung zu finden.

Wir liefen auch.

Nicht weit von Bahnhof befand sich das Entbindungsheim. Dort gab es einen Luftschutz- keller, in dem sich schon etwa zweihundert Menschen befanden.

Wir haben dort eine freie Ecke gefunden und uns auf den Zementfussboden gesetzt.

Bald nachdem ich eingeschlafen war, wurde ich von Explosionen und dem Schiessen von Maschinengewhren aufgeweckt.

Nach einer ugewissen Zeit stiegen in unseren Luftschutzkeller zwei Nazisoldaten mit Maschinenpistolen und Taschenlampen.

Sie sprachen miteinander in einer uns unbekannten Sprache und leuchteten mit ihren Taschenlampen in die Gesichter der Liegenden.

Zuletz zwangen sie ein junges Ma:dchen und eine junge Frau aufzustehen und nahmen sie aus
dem Luftschutzkeller mit.

Ungefa:hr nach einer Stunde kehrten das Ma:dchen und die Frau heftig weinend zuru:ck.

Sie wurden gleich von Leuten umringt, die von ihnen wissen wollten, was geschehen war.

Aber die beiden antworteten nicht auf die Fragen und weinten nur und schluchzten laut.

Spa:ter danach hatte es sich aufgekla:rt, dass sie beide wurde von einer Truppe von zehn Soldaten brutal vergewaltigt worden waren.

Das junge Ma:dchen war unsere 16-ja:hrige Nachbarin Tanja Glosmann. Nach wenigen Tagen  wurde sie von den Okkupanten  niedergeschossen nur weil sie Judin war."
               
                4.

Hitler hat seine ganze Horde, die er die Welt zu erobern  schickte, - von den Soldaten bis zu den Marschallen, - von dem Gefu:hl des Gewissens eigenha:ndig befreit.

Keine Moral und keine Gewissen durften die zweibeinigen Raubtiere haben, die die ganze
Bevo:lkerung des Planeten Erde, - angefangen von den Juden, Zigeunern und Polen, - vernichten sollten, um danach die Erde nur durch die Arier, - die Deutschen, - zu besiedeln.

Und schon von ersten Tag der Besetzung an erschienen die Nazieokkupanten der Bevo:lkerung
von Berditschew als Gewaltta:ter, Rauber und kaltblu:tige hartherzige Menschenmo:rder.

Davon zeugen auch die Erinnerungen von Naum Epelfeld, dem damals 13-ja:rigen Junge:

" Die Erste Nacht der Okkupation verbrachten wir in dem Luftschutzkeller .

Am 8.Juli wollen wir nach Hause zuru:kkehren, aber als wir uns etwa 100 Meter von unserem Schutzkeller entfernt hatten, begann ein starker Artilleriebeschuss.
 
Wir liefen schnell zuru:ck zum Schutzkeller.

Diese artelleristische Beschissung dauerte noch zwei weitere Tage.

Und als wir endlich in unsere Wohnung zuru:kkehrten, sahen wir, das die Eingangstu:r aus ihren Tu:rangeln gerissen und in der Wohnung das Unterste zuoberst gekehrt war.
Alles, was wertvoll gewesen war, war geraubt.

Mein Vater reparierte mit Mu:he und Not die Eingangstu:r. Aber nach kurzer Zeit ho:rten wir brutale Schla:ge an der verrigelten Haustu:r.

Nach wenigen  Minuten wurde die Tu:r unserer Wohnung eingetreten und drei deutsche Sol-
daten kamen herein.

Sie spaschen kein Wort zu uns und richteten keine Aufvmerksamkeit auf uns.Sie fingen gerade an unsere Sachen durchzusehen und suchten heraus, was ihnen gefiel.

Danach befahlen sie dem Vater diese Sache sorgfa:ltig einzupacken und gingen ohne Eile fort.

Mein Vater begann wieder die Tu:r reparieren, aber sofort erschienen andere deutsche Sol-
daten und raubten uns wieder aus.

Ich kann mir nicht erinnern, wie viele Male sich diese Prozedur im Laufe dieses Tages wiederholte.

Es lief immer a:hnlich ab. Es gab keine wertvollen Sachen mehr in unserer Wohnung, aber die Ra:uber in Soldatenunbiform haben jedes Mal etwas mitgenommen.

Den ganzen Tag hatten wir keine Ruhe durch diesen permanenten Raub.

Aber auch in der Nacht konnten wir nicht schlafen, da wir mit schrecklichen Schla:gen an die Tu:r aufgeweckt wurden.

Der Vater kam nicht zu rechten Zeit und die Tu:r wurde noch einmal eingeschlagen.

Zwei Soldaten mit Maschienenpistole drangen in unsere Wohnung ein und begannen uns mit Schreien und mit Stiefeltritten aus unserer Wohnung in den Hof hinauszujagen.

Unser Hof fu:llte sich mit Soldaten und grossen dreiachsigen Lastwagen.

Als wir auf den Hof kamen, waren dort schon andere Bewohner unseres Hauses. Sie alle waren Juden. Kein Ukrainer aus unserem Haus war dort.

Alle auf na:chtlichen Hof waren Frauen und Kinder. Mein Vater war zwischen uns der einzige Mann.

In dem Keller unseres Wohnhauses befand sich eine Ba:ckerei.

Wir wurden alle in die Ba:ckerei hineingejagt und in einer Reihe aufgestellt.

In gebrochener russischer Sprache wurde uns erkla:rt, dass wir zum Morgen eine Lieferung Brot backen mu:ssten und wenn bis vier Uhr dieses Brot nict gebaken sein wu:rde, wu:rden wir alle als Saboteure erschossen.

Es gab keinen Ba:cker unter uns, aber keiner von uns wollte erschossen werden, und zum genannten Termin war das Brot gebacken.

Pu:nktlich um vier Uhr kam ein Lastwagen um das Brot zu holen.

Nachdem wir all das gebackene Brot auf den Lastwagen geladen hatten, gab man jedem von uns einen halben Laib Brot und befahl uns den Hof auszura:umen, da der Hof ein Kriegsobjekt sei.

Es wurde uns verboten, sich dem Hof auf mehr als zwei Ha:userblocks zu na:hrn.

Wir hatten keine Mo:glichkeit, in unsere Wohnung hineinzugehen, geschweige denn irgendetwas herauszuholen."

Und noch eine Episode aus Erinnerungen von Naum Epelfeld :

"Einmal, wa:hrend der ersten Okkupationstage begegnete uns auf der Strasse ein deutscher Soldat. Plo:tzlich ging er zu meinem Vater, klopfte auf seine Hosentasche, nahm daraus den Geldbeutel mit Vaters sowjetischem Geld, das noch gu:ltig war, und steckte es in  seine Hosentasche. Dabei sprach er ruhig und freundlich zu uns.
Danach verabschiedete er sich und ging seiner Wege".

                5.

Schon in die ersten Tagen der Okkupation von Berditschew begannen spezielle Sonderkomandos der nazistischen Henker, die den Heeresabteilungen zugeteilt waren, mit der fru:hzeitig geplannten  Vernichtung der ju:dischen Bevo:lkerung von Berditschew.

Zuerst wurde  den Juden  der Stadt eine Steuer abverlangt. In ku:rzester Zeit danach
begannen die Okkupanten den Plan zur Vernichtung der ju:dischen Bevo:lkerung der Stadt
zu durchzufu:hren.

Der ehemalige SS-Brigadefu:hrer Erwin Schulz schrieb am 20. Dezember 1945 in seiner eidesstattliche Erkla:rung (Dokument NO-3841 des NS-Archivs "Dokumente zum Nazionalsozialismus"):
"Von Beginn des Ruslandfeldzuges bis Mitte September 1941 war ich Leiter des Einsatzkommandos 5 der Einsatzgruppe "C" der Sicherheitspolizei. Chef der Einsatzgruppe C war Brigadefu:hrer Dr. Rasch ...

Das von mir geleitete Einsatzkommando 5 der Sicherheitspolizei setze sich aus etwa 25 Angeho:rigrn der Sicherheitspolizei und des SD, 75 Angeho:rigen der Ordnungspolizei,
50 Notdienstverpflichteten und Kommandierten der Waffen-SS und 50 Kraftfahrer zusammen.

Mir unterstellt waren die Kriminalkommandos Jung, Lehman und Huhun, die Teilkommandos meines Einsatzkommandos fu:hrten...

Als ich Mitte September 1941 abgelo:st wurde, u:bernam SS-Obersturmbannfu:rer Meyer, ein SD-Angeho:riger, die Leitung des Einzatzkommandos 5.

Die Ta:tigkeit des Einsatzkommandos 5 erstreckte sich zu meiner Zeit auf die Gebiete um und in Brody, Dubnow, Berditschew und Skvira...

Die Gru:nde meines Antrags an den damaligen Amtschef des RSHA und Vertreter  des Chefs der  Sicherheitspolizei, SS-Gruppenfu:hrer Streckenbach, mich von der Fu:hrung des Einsatzkommandos zu entbinden, lagen unter anderem in den sich immer meher verscha:rfenden Befehlen zur ru:cksichtslosen Ausrottung der gesamten judischen Bevo:l- kerung. SS-Brigadefu:hrer Dr. Rasch hat sich durch besondere Ru:cksichtslosigkeit ausgezeichnet. Er liess den Befehl ergehen, dass sich auch die Fu:hrer an den Erschiessungen perso:nlich beteiligen sollten.

SS-Gruppenfu:hrer Streckenbach selbst bezeichnete mir gegenu:ber die Ta:tigkeit als
MORD".
         
In  der Gerichtsitzung des Milita:rtribunals der Kiewer Milita:rkreises im Jahre 1946 bekannte der angeklagte Kriegsgefangene Scheer, dass sene Sondergruppe am Anfang des Krieges an den Erschiessungen der ju:dischen Bevo:lkerung in der Stadt Lwow und danach in Berditschew und Tarastscha teilgenommen hatte. Und allein in Berditschew wurden in Verlaufe von zwei Treidjagden 860 Menschen erschossen. Von denen erschoss Scheer 120 Menschen eigenha:ndlich.

Eine Gruppe von Juden, die im Verlauf einer solchen Treibjaghd auf der Strasse in Berditschew gefasst wurde, wurde von nazistischen Soldaten in die Gerberabteilung der Lederfabrik getrieben.

Dort befahl man ihnen zuerst,  bestimmte Arbeiten zu machen und dann wurden sie in die Gerberbottiche mit a:tzender Gerblo:sung  hineingeworfen.

Die gefangene, die Widerstand leisteten, wurden erschossen und ihre Leiber wurden ebenfalls in die Gerberbottiche geworfen.

Die Vollzieher nannten diese Aktion "Scherzaktion". - Sie hatten ju:dische Haut
gegerbt.

Die zweite "Scherzaktion" haben die Okkupanten am Fluss Gnilopjat verwirklicht, - dort, wo der Fluss oberhalb eines Dammes am breitesten war.

Nazis hatten Dutzende von jungen ju:dischen Frauen und Ma:dchen an diesen Ort getrieben
und zwangen sie, vom o:stlichen Ufer zum westlichen hinu:ber zu schwimmen.

Die bestialischen Henker versprachen ihren Opfern, dass, wenn sie den Fluss u:berqueren
ko:nnten, sie das Leben von ihnen beka:men.

Die meisten von den Opfern erreichteten das Ufer nicht und ertranken. Und die, die bis
westlicheche Ufer schwammen, wurden von den Nazis gezwungen, zuru:ck zum o:stlichen
Ufer zu schwimmen. Die, die das nicht gemacht wollten, wurden geschossen.

Die Henker ho:rten nicht auf bis ihr letztes Opfer ertrunken war.

                6.
               
Anfang August des Jahres 1941 erschossen die Besetzer auf dem Gebiet der ehemaligen Kloster-Festung von Gotteskarmeliten 300 Juden, die in den Ha:usern und auf der Strasse bei diesem sogenannten von Berditschewsta:dter "Festung" gefasst wurden.

Das war die erste Massenerschiessung der Juden im okkupierten Berditschew.

Unter den Okkupanten waren Polizeitruppen, die aus Bewohnern der besetzen westukraine und Litauens rekrutiert worden waren.

Zusammen mit Einrichtung der Stadtverwaltung  wurde in Berditschew  die Stadtpolizei
gebildet, deren Mitglieder aus den o:rtlichen Bewohnern der Ukraine und aus fahnenflu:-
chtigen Rotarmisten rekrutriert wurden.

Von den ersten Tagen der Okkupation an haben die Eroberer diese Polizisten und auch o:rtliche nichtju:dische Bevo:lkerung zu antisemitischen Taten aufgefordert, denn die Juden waren schon zur allgemeinen Vernichtung durch das nazistishe Dritte Reich verurteilt.

Aus den Erinnerungen von Naum Epelfeld:

" Einmal in den ersten Tagen der Okkupation gingen ich und mein Vater auf den Markt, um uns von dem Geld, das uns nach all dem Raub noch geblieben war, irgend etwas Essbares zu
kaufen.

Auf dem Markt waren wenige Verka:ufer und viele Ka:ufer.
Hauptsa:chlich  wurden Kartoffeln verkauft.

Man sah die Deutschen und irgendwelche Leute in ziviler Kleidung mit weisser Armbinde, die mit russischen Gewehren bewaffnet waren. Spa:ter haben wir erfahren, dass sie o:rtliche Polizisten aus der Westukraine und aus Lita waren.

Neben jedem Verka:ufer stand eine Reihe von Ka:ufern.

In unserer Reihe standen vor uns viele Leute und so konnten wir gut beobachten, was sich
um uns herum ereignete.

Zuerst war fu:r uns alles ungewo:hnlich aber ruhig, bis sich am nachbarlichen Ladentisch etwas ereignete.

Dort stand ein hoch betagter Jude mit weissem Vollbart in der Reihe, der stu:tzte sich auf einen grossen scho:n gearbeiten Spazierstock.

Als er schon vorne am Ladentisch stand, versagte der Verkaufer dem alten Menschen Kartoffeln zu kaufen, weil, wie er sagte, es zu wenig Kartoffeln ga:be und vielleicht nicht genug fu:r die Ukrainer, die auch in der Reihe an seinem Ladentisch standen.

Der Alte empo:rte sich und begann, auf den Verkaufer einzuschreien.

Auf die Schreie hin kamen die bewaffnete Leute mit den weissen Armbinden und holten den Alten aus der Reihe heraus.

Der Alte begann Widerstand zu leisten.

Da kamen zwei Deutsche in Kriegsuniform und, ohne nach dem Inhalt des Streites zu forschen, schlugen sie die Polizisten, um den Alten zu verteidigen. Aber sofort, als man ihnen sagte, dass dieser Alte ein Jude sei, ereignete sich etwas Furchtbares.

Die beiden Deutschen warfen den Alten auf die Erde nieder und traten mit ihren festen Stiefeln auf ihn ein.

Bald hatten sie den alten kra:ftigen Menshen in ein Haufen von Fleisch und Knochen ver- wandelt.

Der Alte war schon tot, aber sie traten immer weiter auf das ein, in was sie diesen Men- schen verwandelt hatten.

Danach gingen sie zum benachbarten Ladentisch, nahmen einen Lappen, wischten damit das Blut von ihren Stiefeln ab und gingen ohne Eile fort".

Vom 7. bis 9. August wurde die Massenu:bersiedlung aller Juden von Berditschew aus ihren
Wohnungen in  das Ghetto durchgefu:hrt, das auf dem Gebiet zwischen dem Marktplatz und dem Fluss Gnilopjat eingerichtet wurde, wo fru:her die Judischen Mittello:sen wohnten.
Dabei wurde nur urlaubt, Kleidung und Bettzeug mitzunehmen.

Die Wohnungen, die von Juden verlassen wurden, wurden sofort von den Nachbarn ausgera-
ubt und bewohnt.

Im Ghetto auf den Strassen Staromjestnaja, Muromskaja, Kupjetscheskaja und Steinowskaja
wurden fu:nf bis sechs Familien in einer Wohnung angesiedelt, oft zehn bis fu:nfzehn Men-
schen in einem Zimmer.

Am 22. August des Jahres 1941 wurde die gesamte judische Stadtbevo:lkerung ins Berdi- tschewer Ghetto hineingejagt.

Von Anfang bis Ende August fu:hrte die Okkupationsbeho:rde Erschiessungen der Juden durch, die von Polizeistreifen ausserhalb dem Ghetto aufgegriffen wurden.

Am 28. August fand auf dem Gebiet des Berditschiwer historischen Denkmals, in der sogenannte Zitadelle, die zweite Massenereschiessung von Juden statt, bestehend aus der sta:dtischen Befo:lkerung und Kriegsgefangenen.

U:ber Einzelheiten dieser barbarischen Aktion berichtete  der Kriegsgefangene, Unteroffi-zier Bruno Matschi, ein deutscher Flieger, in seiner Aussage:

"Im Sommer, im Juli bis August des Jahres 1941, befand sich unsere Fliegertruppe in Berditschew und war auf dem ehemaligen Flugplatz der Roten Armee stationiert.

Einmal war ein Geru:cht im Umlauf, dass neben der alte Berditschewer Zitadelle Tausende
von Juden erschossen wu:rden.

Zusammen mit meinem Piloten, Feldwebel Schneider, und mit noch einigen Kollegen sind wir von unserem Stu:tzpunkt nach Berditschew gefahren, um uns zu u:berzeugen, dass wirklich
die Leute nur, weil sie Juden waren, erschossen werden sollten.

In dem Hof der Zitadelle standen die zum Tod Verdammten in Gruppen zusammen.

Nachdem Abschreiben ihrer Familiennahmen wurden die Leute in den Keller weggefu:hrt und nach kurzer Zeit zuru:ck in den Hof der Zitadelle gebracht.

Hinter der Hauptmauer der Zitadelle wurde von Ortbewohnern eine tiefe Grube ausgegraben.

Ein SD-Offizier befheligte die Aktion.

Die Opfer wurden einzeln der Grube zugefu:hrt. Neben dem Rand der Grube zwang man sie, sich nieder zu knien, und danach wurden sie mit einem Genickschuss geto:tet.

Wir alle haben das gut gesehen, da wir uns nahe dem Ort der Hinrichtung befanden.

Da ich nicht lang bei diesem Massaker zusehen konnte, verliessen wir zusammen diesen Ort des Entsetzens".

Auf dem Platz, den kriegsgefangene Flieger Bruno Mantschi auf dem Hof der Zitadelle zeigte, hat spa:ter die staatliche Kommission zur Feststellung und Untersuchung der Missetaten der deutsch-faschistischen Okkupanten eine Grube mit 960 menschlichen Leichen
entdeckt.

Es waren Ma:nner u:berwiegend in Zivilkledung. Ein Teil der Leichen war bekleidet mit Mi-
lita:runiformen der Rotarmisten ohne Gu:rtel. An allen Leichen wurden die Einschu:sse im Genick der Scha:del entdeckt.

Der dritte Massenerschiessung der Juden von Berditschew durch die Okkupanten fand am 5. September 1941 in der Na:he der Bahngleise der Schmalspurbahn am Streckenabschnitt zwi-
schen den Do:rfern Bistrick und Chazhin statt.

Am 27. August  fu:hrte eine Milita:rstraftruppe die erste grosse Gruppe von jungen Juden aus dem Ghetto, angeblich fu:r Einbringung der Ernte.

Einige Tage hielten die Nazis sie in den leeren Markthallen gefangen. Sie wurden die ersten Opfer der Erschiessungsaktion der Nazis am Kilometer sieben der Chaussee in Richtung des Dorfes Chazhin.

Dann, am 5. September 1941 begannen die Nazis die Ghettobevo:lkerung mit Lastwagen und zu Fuss zu diesem Ort zu treiben und dort erschiessen.

Gesehen haben diese Massenerschiessung der Berditschiwer Juden die Ortsbewohner A.Sidorenko, B.Moschkaruk und T.Fedosejeva.

Spa:ter im Mai des Jahres 1944 meldeten sie der Kommission zur Feststellung und Untersu-
chung der Missetaten der deutsch-faschistischen Okkupanten, das am 5 September des Jahres 1941 Nazis ab Morgen begannen, grosse Gruppen von Menschen zum Ort der Erschiessung zu fahren und auch zu Fuss treiben .

Die Leute wurden mit ihrer Habe und ihren Kostbarkeiten zum Ort der Massenerschiessung
gejagt.

Zuerst no:tigte man sie, ihre Habe und ihren Kostbarkeiten einem von Offizieren abzuge-
ben. Die unter ihnen, die besser gekleidet waren, no:tigte man, sich auszihen.

Danach trieb man sie in Gruppen von zehn bis fu:nfzehen Menschen zum Rand der Grube, die im Voraus gegraben worden war, und dort wurden sie dann mit Maschinenpistolen erschossen.

Die kleinen Kinder haben die Henker lebendig in die Grube geworfen und danach zusammen mit Leichen der Erschossenen bei lebendigem Leibe vergraben.

Da die Erschiessunggrube oberhalb der nahe ligenden Schlucht gegraben war, hatte sich am folgenden Morgen ein grosser See von Blut gebildet.

Der sowjetische Schriftsteller Wassilij Grossman hat in seinem Essay " Der Mord an den Juden in Berditschew" geschrieben, dass am  4. September des Jahres 1941 Okkupanten und ihre o:rtlichen Mithelfer, die Polizei-Vertra:ter aus bevo:lkerung von Berditschew, die 1500 jungen Leute aus dem Ghetto herausgefu:hrt haben, angeblich fu:r landwirtschaft- lichen Arbeiten. Diese jungen Leute wurden als erste zum Kilometer sieben der Chaussee in Richtung des Dorfes Chazhin gefu:hrt und dort erschossen.

Bei der Untersuchung der Missetaten der Naziokkupanten wurden an diesem Ort zwei riesi- gen Gruben entdeckt und geo:ffnet, in denen 10.656 Leichen von Menschen verschiedenen Alters  in Zivilkleidung gefunden wurden.

Mit der Massenerschiessung vom 5. September 1941 haben die Okkupanten und ihre Mithelfer durch Lu:gen fast alle junge Leute ausgeschaltet, die ihnen Widerstand ha:tten leisten ko:nnen.

Nach dieser Blutaktion blieben im Ghetto nur noch Frauen, Kinder, a:ltere Ma:nner und Alte.

Die nazistischen Henker machten mit kaltblutiger Berechnung alles, um die na:chste ge- plante Massenerschiessung der Gefangenen des Ghettos von Berditschew ohne Widerstand der Opfer durchfu:hren zu ko:nnen.

               
                7.

Die Vorbereitung zu ihrer vierten blutigen Aktion beendeten die Henker am 14. September
des Jahres 1941 (schon 84 tage nach dem Einmarsch in UdSSR0.

Zu diesem Zeitpunkt wurden von kriegsgefangenen Rotarmisten  die Erschossgruben zu beiden Seiten des Weges Berditschew - Raigorodok zwischen dem Dorf Radjanskoje und Aussidlerhof Schlemarka und im Gebiet von Sokolino ausgegraben.

Am 14. September 1941 kam in Berditschew das Sonderkommando der Einsatzgruppe "C" an.

Fu:r die Ausfu:hrung dieser Aktion wurden alle Kra:fte der ukrainische Stadspolizei von Bewrditschew mit ihrem Vorgesetzten Koroljuk  mobilisiert.

In der Nacht von 14. zum 15. September drangen die Soldaten des Sonderkommandos und Polizisten der o:rtlichen Polizei in das Ghetto ein und begannen ohne Ausnahme, alle Ghetosbewohner, die noch sliefen und nicht bekleidet waren, aus ihren Wohnungen und Ha:usern hinaus zu jagen und zum sta:dtischen Marktplatz zu treiben.

Die Menschen, die noch nicht selbsta:ndig gehen konnten, wurden von Soldaten und Polizisten in ihren Wohungen vor den Augen ihrer Verwandten und Kinder erschossen.

Die schrecklichen Schreie der Frauen und Weinen von Tausenden verwirrter Kinder wecken die Bewohner der Stadt aus dem Schlaf.

Selbst in den entferntesten Strassen wurden die Leute von diesem La:rm aufgeweckt und ho:rten mit Schrecken ein herzzerreissendes Geschrei, in dem die Schreie und das Weinen
von Tausenden Menschen sich vereinigten, die von den Henkern wie das Vieh zum Gemetzel
getrieben wurden.

Als es da:mmerte, war der Marktplatz der Stadt zum Bersten voll mit den Gefangenen aus
dem Ghetto.

Die Fachleute, die fu:r die kommunalen Dienste und fu:r Lebensbedu:rfnisse der Okkupanten
beno:tigt wurden, wurden durch den Vorsitzenden der Stadtverwaltung Reder und die Stadt-
polizeileiter Koroljuk und Zelinsky aus der Menge der zum Tode Verurteilten ausgesondert und an den Rand des Marktplatz gedra:ngt.

400 Fachleute waren so erstmal vor den Erschiessungen gerettet.

Unter ihnen waren die in der Stadt und im Bezirk bekannten A:rzte Wurwarg, Baraban, Li- berman, Blank, Rubantschik und auch Handwerksmeister, wie der alter Maurer Pekelis mit seinen zwei So:hnen und Gesellen Michael und Wulf und auch der Elektriker, Schlosser und Mechaniker, mein Grossvater Assir Epelfeld mit seinem 13-ja:hrigen Sohn Naum.

Die 16-ja:hrige Tochtere meines Grossfaters, Esfir Epelfeld, und seine Frau Esfir Erlich
mit ihrer Mutter Channa Erlich wurden an diesem Tag zusammen mit Tausenden Juden von Ber-
ditschew bestialisch erschossen.

Dieser schreckliche Tag hat sich in das Geda:chtnis des damals 13-ja:hrigen Knaben Naum
Epelfeld eingepra:gt :

"Am Abend des 14. September 1941 warteten wir auf den na:chsten "Besuch" der Polizei.
Gewo:hnlich, nachdem es finster wurde, manchmal spa:ter, erschienen im Ghetto drei bis vier der o:rtlichen ukrainischen Polizisten. Mit Gewallt drangen sie in die Ha:user ein, raubten, verho:hnten und befriedigten ihre sadistischen Leidenschaften, befor sie wieder gingen.

Dieses Mal war Mitternacht schon u:berschritten und sie erschienen nicht.

Wir beschlossen, dass sie in dieser Nacht wohl nicht mehr kommen wu:rden, und schliefen ein.

Aber etwa um drei Uhr nachts wurden wir durch eine wilde Schisserei geweckt.
Man schoss aus Gewehren und Maschinenpistolen.

Nach wenigen Minuten drangen bei uns zwei vo:llig rasend gewordene Polizisten ein.    
Sie schrieen aus Leibeskra:ften, schlugen mit ihren Gewehrkolben auf uns ein und jagten uns aus dem Haus hinaus auf die Strasse in die Finsternis der Herbstnacht.

Strahlen von Taschenlampen und Aufblitzen des Mu:ndungsfeuers der Gewehre und Maschinenpistolen rissen aus der a:giptischen Finsternis die Umrisse von den Menschen,
die wie Viehherden irgendwohin getrieben wurden.

Auch wir wurden von Polizisten dieser Kolonne zugetreiben.

Als es da:mmerte, sahen wir, dass Nazisoldaten und ukrainische Polizisten die ganze Bevo:lkerung des Ghettos aus ihren Ha:usern hinausgejagt hatte und in einer unendlichen Kolonne vor sich her trieben.

Diesen Prozess kan man nicht beschreiben.

Die Leute waren aus ihrem  Bett in die nasse Herbstnacht hinausgejagt worden. Sie gingen in dem Menschenhaufen halb angezogen, barfu:ssig und nur mit Leibwa:sche bekleidet. Kranke und Kru:ppel wurden von den Soldaten und Polizisten herbeigeschleift und in die Kolonne wie Holzsta:mme geworfen.

Die Unglu:ckliche, die fu:r Soldaten und Polizisten zu schwer waren, wurden von ihnen niedergeschossen.

Die Schreie, das Weinen, das Schiessen und das Schimpfen durch die Soldaten und Polizisten... -  Das war eine echte Ho:lle.

Gegen 6 Uhr morgens war fast die ganze Menschenmenge auf den stadtlichen Marktplatz gejagt worden, der von einem dichten Ring von Soldaten umgeben war.

Die Eltern riefen nach ihren Kindern, die in diesem Chaos verloren gegangen waren, und
die Kinder riefen nach ihren Eltern.

Immer mehr und mehr Menschen wurden in diesen Ring von Soldaten hineingetrieben.

Die Leute standen  schon so dicht gedrengt auf dem Marktplatz, dass man keinen Nagel 
ha:tte fallen lassen ko:nnen. Dennoch trieb man immer weitere Ghettobewohner auf den
Platz.

Als die Sonne aufging, wurde es heiss und viele alte Menschen fielen in Ohnmacht.
Manchen von ihnen wurde schlecht, aber in diesem dichten Menschenhaufen auf den Boden zu
fallen war nicht mo:glich. Keiner konnte diesen Menschen helfen und viele von ihnen star-
ben so, in der Menge eingeklemmt.

Hinter den a:usseren Ring der Umzingelung versammelten sich Zuschauer, unter ihnen Soldaten uhd Offiziere, die in Bedrditschew einquartiert waren.

Auch der Bu:rgermeister kam mit seinen Mitarbeitern auf dem Marktplatrz.

Soldaten und Polizisten hatten fu:r sie einen Platz vorbereitet und dadurch noch mehr die
Menschen zusammengedra:ngt.

Bu:rgermeister beobachte von seinem Ort aus die Qualen der Menschen auf dem Platz und gab irgendwelche Anweisungen an die Poizei.

Dann drang eine Gruppe von Soldaten und Polizistn in die Menschenmenge vor und begann, sie in Gruppen aufzuteilen.

Sie dra:ngten einen Teil der Menschen nach rechts, andere nach links weg, und ein dritte Teil sollte an seinem Ort bleiben.

Das ganze wurde mit Schreien, Schimpfen und mit grausamer Preu:gelei begleitet.
Einige der Leute wurden von den Henker zu Tode gepru:gelt.

Die verschreckten, hungrigen und mu:den Leute, die mitten der Nacht geweckt worden waren, waren inzwischen so abgestumpft, dass sie nicht verstanden, was von ihnen wollte.
Das einzige, was sie empfanden, war wilde Angst und Vorahngung von etwas Entsetzlichem.
Sie zeigen das mit Weinen und wilden Verzweiflungschreien.

Die Nazis und die ukrainischen Polizisten reagierten darauf immer bestialischer, sie hat-
ten nicht Menschliches mehr an sich.

Mein Vater und ich wurden zusammen in die Gruppe von Leuten gedra:ngt, die neben dem Haupteingang des Marktes gebildet wurde. Wir konnten beide nicht sehen, wann und wohin
meine Mutter, meine Schwester Firotschka und meine Grossmuter Channa weggefu:hrt wurden.

Auf dem Marktplatz, etwas entfernt vom Haupteingang, begann man, die Menschen auf Lastwagen zu treiben und aufzuladen.

Zuerst konnten wir es schlecht sehen, aber nachdem die Menschenmenge sich auf dem Marktplatz verringert hatte und die Lastautos na:her an uns heranfuhren, konnten wir gut beobachten, wie die Menschenverladung vor sich ging.

Das war etwas Unwahrscheinliches und Unbeshreibliches. Ich, der dieses Entzetzliche mit eigenen Augen gesehen habe, frage mich oft:" War das in Wirklichkeit geschehen ?"

Die Menschen wurden  mit Schla:gen von Kolben, Gummiknu:ppeln und Holzsto:cken auf die Ladefla:chen der Lastwagen gejagt.

Ich sah, wie eine Frau mit Schla:gen in den Lastwagen hineingejagt wurde, aber nicht auf
die mit Menschen u:berfu:hlte Ladefla:che gelangen konnte.

Ein, wie ein Tier agierender, SS-Mann fing an, mit dem Kolben seiner Maschinenpistole, die an seiner Brust hing, die Frau in den Wagen  hineinzuzwingen. Da es ihm unbequem war, riss er seinen Helm vom Kopf und schlug mit dem Helm der Frau auf den Ru:cken.

Die Frau, die auf der Stufe des Lastautos stand, hielt sich mit ihren  Ha:nden am Rand
fest und fiel schlisslich auf den Boden.

Da begann der SS-Mann mit seinen schweren Soldatenstiefeln auf sie einzutreten.

Nachdem die Frau still geworden war, wurde ihre Leiche von SS-Ma:nnern auf die Ko:pfe der im Lastwagen Sitzenden geworfen.

Vor dem Aufladen auf die Lastwagen wurden Sa:uglinge und kleine Kinder aus den Ha:nden ihrer Eltern gerissen und auf ein anderes in Lastauto geworfen.

Fu:r die Lastwagen, die mit Menschen u:berfu:llt abfuren, kamen andere Lastwagen.

Um drei oder vier Uhr nachmittags ho:rte die Verladung der Menschen auf.
Die beladenen Lastwagen fuhren ab, aber es kamen keine leeren Lastwagen zuru:ck.
Vielleicht war es eine Mittagspause, dachten wir, oder vielleicht fuhren die Lastwagen zum tanken.

Der Tag war sommerlich warm und viele der Menschen versuchten sich auf den Boden zu setzen. Aber sofort begannen die Wa:chter drohend zu bru:llen und die Menschen mussten aufstehen und hielten sich aneinander fest um, der Not gehorchend, stehen zu ko:nnen.

Zuschauer, die hinter der Absperrung stehend die Aktion beobachtet hatten, begannen aus-
eiander zu gehen. Der Bu:rgermeister war schon mit seinem Gefolge abgefahren. Und wir
standen und standen mitten in Absperrung.

Erst eben Abend gingen die Wa:chter fort und wir begriffen, dass auch wir fortgehen konnten.

Wir kehrten zuru:ck in die Wohnung, aus der wir in die Nacht hinausgejagt worden waren.

Dort herrschte vo:llige Verwu:stung.
Die Tu:ren waren ausgerissen, die Fensterrahmen verschwunden.
In allen Zimmern auf dem Fussboden lagen Daunen aus aufgerissenen Kissen und Pfu:hlen(Fe-
derbetten), in denen man das Gold und Kostbarkeiten gesucht hatte.
Die Zimmer waren leer und die Betten verschwunden.

Wir traten hinaus. Auf der Strasse trafen wir einen Bekannten meines Vaters, der uns in seine Wohnung einlud. Dort hielten schon ungefa:hr fu:nf Menschen auf.

In dieser Nacht von 15. auf 16. September schliefen wir nicht. Wir alle wollten wissen, was mit unseren Verwandten geschehen war, die auf den Lastwagen irgenwohin entfu:hrt worden waren.

Wir alle wusten, dass die Okkupanten ta:glich viele Menschen, - Alte, Frauen und Kinder, - erschossen. Wir wusten das, aber wir wollten nicht glauben, dass gestern eine solch grosse Masse von Menschen, darunter unsere na:chsten Verwandten, niedergeschossen worden waren.

Wir konnten nicht glauben, dass in dem Zeitraum eines einzigen Tages Vertreter einer der zivilisiertesten Nationen Tausende von Menschen ermordeten.

Wir konnten nicht und wollten nicht uns dies alles vorstellen. Und wie kann ein normal gesinnter Mensch sich das vorstellen!

Wir versuchten uns einzureden, das sie vielleicht zu einer Arbeit fortgefahren worden waren.(Und die Sa:uglinge, die zuhauf auf die Ladefla:che der Lasautos geworfen worden waren?!).

Wir wollten das Schrecklichste  nicht glauben, da es u:ber unsere Kraft ging!"


Aber genau das haben die Okkupanten und ihre Mithelfer von der o:rtlichen Polizei gemacht.

Alle die am 14. September zum Tod verurteilten Menschen wurden von den Nazihenker mit Hilfe der o:rtlichen Polizei auf einem fu:nf Kilometer langen Todesmarsch aus dem Ghetto entlang der Brodskijstrasse zum Hangar des ehemaligen Kriegsflugplatzes getrieben.

Die Alten, Schwachen und die kleine Kinder, die aus den Handen der Mu:tter gerissen wor- den waren, wurden mit Lastwagen dorthin gefaren.

Die ersten Erschissungsgraben, neben denen die Henker ihre Opfer aus der zusammengetrie- benen Menschenmenge erschossen, befanden sich gleich hinter der Stadtgrenze, etwas 50 bis 60 Meter vom Weg entfernt.

Man erschoss die Leute vor Augen ihrer Verwandten und Tausender von Menschen, die zum Erschiessen zu Hangar des Flugplatzes getrieben worden waren.

Neben dem Hangar wurden die zugejagten Menschen von Soldaten und Polizisten in Gruppen
von 30 bis 40 Personen aufgeteilt. Diese Gruppen wurden eine nach anderen zu den Erschiessungsgra:ben getrieben, die Voraus fu:r diesen Tag von Kriegsgefangenen ausgehoben worden waren.

Unmittelbar neben dem Graben wurden die Leute gezwungen, vor dem SD-Offizier ihre Kostbarkeiten hinzulegen und sich ihrer Leibwa:sche zu entkleiden.

Die Henker hatten Angst vor dem Widerstand der zum Tod verurteilten Menschen. Deshalb hatten sie diese Massento:tung so orgsnisiert, dass unmittelbar neben dem Rand des Schiessengrabes die zahl der Opfer kleiner war als die Zahl der mit Maschinenpistolen be-
waffneten Mo:rder.

Die Menschen, die zum Rand des Erschissengrabes getrieben worden waren, wurden kaltblu:tig erschossen von den deutschen Soldaten ebenso wie von der o:rtlichen ukrainischen Polizisten.

Nach der Befreiung von Berditschew durch die Rote Armee wurde nach der O:ffnung der Gra:-ben auf beiden Seiten der Raigorodchaussee durch eine staatliche gerichtmedizinische Kommission unter der Leitung von dem Arzt M.F.Fedosjuk eine Exhumirung und Untersuchung der Leichen durchgefu:hrt.

Diese Staatskommission konstatierte in ihrem Bericht:

"In der Entfernung von fu:nf Kilometer westlich von Berditschew wurden zehn Gra:ben von
Massenerschiessungen entdeckt.

Bei den O:ffnung dieser Gra:ben wurden Menschenleichen verschiedenen Geschlechts und Al-
ter gefunden.

An den Leichen waren noch die weissen Armbinden mit sechseckigen Stern.

In zehn Graben wurden insgesammt 18.640 menschliche Leichen entdeckt.

An allen Leichen fand man Scha:digungen  der Hirnschale durch die eintretende Kugel vorzugsweise im Gebiet des Scheitelknochens.

Anscheinend wurden die Erschiessungen von einer Stelle "Oberhalb der Grube" ausgefu:hrt.

An einigen Leichen fand man Einschusslo:cher nur an Gliedmassen. Diese Menschen wurden mit Erde zugeschu:ttel, wa:hrend sie noch gelebt und nur verwundet waren".

Und noch eine Annahme aus dem Bericht der staatlichen Kommission, die einem das Blut in die Adern gefrieren la:sst :

"An den Leichen von kleinen Kindern, Sa:uglingen oder noch nicht Schulpflichtigen Klein-kindern wurden in allen zehn Erschiessungsgraben keine Spuren von Schussscha:digungen gefunden.

Anscheinend wurden diese Kinder lebendig in die Gra:ben geworfen und lebendig mit Erede zugeschu:ttet".


Der Bauer Nikita Moissejewitsch Deutschik von dem Aussiedlerhof Schlemarka hat vor der Staatskommission fu:r die gerichtliche Untersuchung der Misstaten der deutsh-faschisti- schen Okkupanten in Berditschew ausgesagt:

"Mein Haus befand sich in der Entvernung von fu:nf Metern von der Chaussee  Berditschew -Ljubar.

Im verlauf des ganzen Monats August des Jahres 1941 haben gefangene Rotarmisten unter bewachung der deutschen Soldaten zwei Gra:ben no:rdlich meines Hauses gegraben, etwa 200
Meter von der Chaussee.

Nachdem die Graben fertig waren, sind an einem Septembertag von sieben Uhr morgens bis zwei Uhr nachmittags geschlossene Lastwagen aus Richtung Berditschew einer nach dem anderen angekommen.

Aus den Lastwagen wurde die judische Bevo:lkerung von Berditschew ausgeladen. Mit jedem
Lastauto wurden 15 bis 20 Menschen, - Alte, Frauen und Kinder, - hergebracht.

Man trieb diese  Menschen zu den Gra:ben, neben denen schon  die deutshe Schu:tzen mit den Maschinenpistole warteten.

Die Erschissung der Menschen erfolgte durch acht Maschinenpistolenschu:tzen.

Ich habe diese Erschiessungen im Verlauf des ganzen Tages von meinem Hof aus beobachtet.

Ich sah, dass viele der Opfer weinten und die Soldaten anflehten, sie nicht zu erschiessen.

Ein Ma:dchen versuchte, von den Soldaten und dem Graben fortzulaufen. Sie wurde  von den Soldaten gefasst und lebendig in die Grube geworfen.

Mann trieb die Menschen auch zu Fuss in Kolonnen von etwa 200 bis 300 Menschen unter versta:rkter Bewachung aus Berditschew hinaus.

Diejenigen, die nicht selbsta:ndig gehen konnten, wurden von Verwandten auf Schlafdecken
oder Bettlaken gelegt und zur Erschissungsgrube getragen.

Viele der Alten wurden von Verwandtgen untergefasst und zur Erschiessungsgrube gefu:hrt.

Die Leute, die Widerstand leisteten, und die kleinen Kinder warfen die Soldaten lebendig in die Grube.

Ich habe das selbst nicht gesehen, aber aus Erza:hlungen anderer Bewohner von Aussiedlerho:fen habe ich erfahren, dass beim Zuschu:tten einer der beiden Gra:ben ein ukrainischenr Polizist ein lebendiges  Ma:dchen in der Grube gesehn hatte. Sie flehte ihn sie nicht zu ermorden. Aber der Polizist zerschmetterte ihren Kopf mit dem Spaten".

Der Maurer Michail Moissejewitsch Pekelis war einer von fu:nfzehn judischen Bewohnern von Berditschew, die die Mo:glichkeit genutzt hatten, vor der Ermordung  davonzulaufen.
Am 15. September 1941 wurden seine Frau und seine drei Tochter von Okkupanten und ihren Mithelfer niedergeschossen.

Die Staatskommission schrieb seine Aussage auf.
Hier ist seine Aussage:

"Am 15.September 1941 war die gro:sste Massenerschiessung der Juden von Berditschew.

Der Ort der Erschiessung war der Aussiedlerhof Schlemarka neben dem ehemaligen Kriegfslugplatz nahe der Raigorodchaussee.

Fu:r diese Massenerschiessung bereiteten die Okkupanten tiefe und lange Gra:ben vor, an denen Stirnseiten Stufen fu:r die Opfer hinunter fu:hrten.

Einige der Soldaten und o:rtlichen Poliozisten haben ihre Opfer in diese Gra:ben hineingejagt und andere dieser Henker, die u:ber den Gra:ben standen, haben die, in die
Gra:ben gejagten Menschen von oben geschossen.

Das ging so den ganzen Tag.

Um 3 Uhr nachmittags fuhr der Vorsitzende der Stadtverwaltung Reder mit seinem Vertreter
Sliptschenko  und mit dem Stadtverwaltungssekreta:r Schmidt dorthin, um dieser Aktion zuzuschauen.

An dieser barbarischen "blutigen Messe" nahmen mit anderen ukrainischen Polizisten auch der Leiter der Stadtpolizei Koroljuk und der polizist Moschkowskij teil.

Um die Schreie von Tausenden Opfern zu u:berto:nen, kreisten vier deutsche dreimotorige Kriegsflugzeuge den ganzen Tag u:ber dem Ort der Massenerschiessung.

Am na:chsten Tag war die ganze Obefla:che der mit Erde zugeschu:tteten Gra:ben mit Men-
schenblut getra:nkt".


Einer von zehn Erschiessungsgra:ben wurde von der Staatskommission am Rand des Dorfes Ra-
djanskoje des Bezrks Berditschew entdeckt.

Hier ist die Aussage, die Bewohnerin dieses Dorfes, Marija Ivanova, vor der Staatskommis-sion fu:r  die gerichtliche Untersuchung der Missetaten der deutsch-faschistischen Okkupanten in Berditschew gemacht hat :

"Am Tag des 15. September des Jahres 1941 war ich bis sieben Uhr morgens zu Hause.

Danach konnte ich schon nicht mehr auf die Strasse gehen, da die deutsche Kriegspatrouille nicht weit von meinem Haus den Ort fu:r Erschiessungen in einem Durchmesser von etwa 500 Metern abgesperrt hatte.

Zuerst trieb man die Leute von Lastwagen, in denen sie von Berditschew herantranspor-
tiert worden waren, herunter.

In Gruppen von zehn bis fu:nfzen Menschen fu:hrte man sie zum Grubenrand, wo sie mit Maschinenpistolen erschossen wurden.

Spa:ter begannen die Henker, ihre Opfer die Stufen an den Stirnseiten der la:ngst vorbereiteten Erschiessungsgra:ben hineinzujagen und dann von oben niederzuschissen.

Diese bestialische Ermordung dauerte von sieben Uhr morgens bis zehn Uhr abends".


Vor allen Gefangenen, die am 15. September aus dem Ghetto von Berditschew zur Erschiessung weggefahren wurden, gelang es nur dem 10-ja:rigen Knaben Chaim Reutman zu
u:berleben.

Chaim zeigte dem deutschen Soldaten, der schon die Maschinenpistole auf ihn richtete, eine Taschenuhr, die auf Boden lag.

Als der Soldat sich uterbeugte, um die Taschenuhr ausfzuheben, lief der Knabe davon.

Der Soldat begann auf ihn zu feuern. Zum Glu:ck hat nur eine Kugel den Flu:chtling einge-
holt und nur die Mu:tze des Knaben getroffen. Chaim fiel hin und verlor sein Bewusstsein.

Spa:ter wurde er vom Bauern Gerassim Prokofjewitsch Ostaptschuk aufgehoben, versteckt und
an Kindes Statt angenommen.

Unter den Gefangenen aus dem Ghetto von Berditschew wurde am 15. September 1941 die Mutter  der sowietischen Schriftstellers Wassilij Grossman, Jekaterina Saweljewna Grossman, wie auch meine Verwandten , die 16-ja:rige Esfir Assirowna Epelfeld, Esfir Markowna Erlich und ihre Mutter Channa Erlich, erschossen.


In der Meldung der 7. Abteilung der 213. Bewachungsdivision, die am 19. September des Jahres 1941 dem Befehlshaber der operativen ru:ckwa:rtigen Bezirks der Armeegruppe   
"Su:d" u:bergeben wurde, wurde geschrieben:

"Die harten Massnahmen, die unsere Division gegen Juden durchgefu:hrt hat, werden wie bereits fru:her als gerecht angesehen und begru:sst.

U:brigens gibt es nicht so viele Juden in den kleinen Sta:dten und la:ndlichen Gebieten wie Wolyn, mit Ausnahme von Berditschew, wo sie bereits nicht mehr sind".

Diese Meldung wurde von dem Vorgesetzten der 7. Abteilung der Verwaltung der besetzen Gebiete, Oberst Jakobi, unterschrieben.

                8.

Im Laufe der Tage nach den Erschiessung des 15. September 1941 haben die Juden aus umliegenden Do:rfern, kleinen Siedlungen und Aussiedlerho:fen  sich heimlich in das Ghetto von Berditschew eingeschlichen, das nach dem September-Bluttgericht menschenleher geworden war. Denn auch in der Umgebung wurden Juden von o:rtlichen ukrainischen Polizisten allesamt unter Ausraubung, Verho:hnung und Beschimpfung ermordet.

Hier in Berditschew hoffen sie, irgenwie heil zu bleiben.

Aber zu Beginn der zweiten Septemberha:lfte erneuerten die Okkupanten die Jagd auf Juden in den Stadtbezirken ausserhalb der Ghettogrenzen von Berditschew.

Fu:r diese Streifenga:nge zogen sie die o:rtlichen Polizisten heran.

Die Juden, die von diesen Streifen festgenommen wurden, wurden nicht einfach erschossen, sondern  wurden sie einer unmenschlichen Verho:hnungen unterzogen.
So, wie in den mittelalterlichen Pogromen und wie die ukrainischen Kosaken im 17. Jahr- hundert in der Zeit der antisemitischen Gemetzel des Hetmans Bogdan Chmelnitskij, zerschlugen die Teilnehmer dieser Streifen die Schedel der kleinen judischen Kinder und schnitten sie den judischen Frauen die Bru:ste ab.

Gleichzeitig geschahen spontane Raubzu:ge unter den  Gefangenen des Ghettos.


So erinnert der dreizehnja:rige damals Gefangene des Ghettos von Bereditschew  Naum Epelfeld u:ber allta:gliche Exsistenz der Gefangenen  im Ghetto nach der Massenerschiessung am 15. September des Jahres 1941 :

"Einmal kam ein deutscher Offizier in das Haus, in dem ich und mein Vater mit anderen Ghetosgefangenen wohnten; darunter der Arzt Baraban mit seiner Familie und die alte A:rztin-Stomatologin Rubantschik.

Der Offizier war in heftiger Erregung und wir alle erwarteten, dass er uns irgendeine Gemeinheit antun wu:rde.

Die A:rztin Rubantschik, die fleissig Deutsh sprach, fing an, sich mit dem Offizier zu unterhalten.

Zuerst tat der Offizier, als ob sich beruhigte und begann zu erza:hlen, dass er unla:ngst aus Kiew angekommen sei.

Offensichtlich hatte er dort etwas gesehen, was ihn stark beinflusst hatte.

Plo:tzlich ging er zum Arzt Baraban und begann, ihn von oben bis unten abzutasten.
Danach no:tigte er ihn , die Hose ausziehen und bat, ein Messer zu bringen.

Wir waren starr vor Schreck. Aber nachdem er das Messer erhalten hatte, schenkte der Offizier dem Arzt Baraban und uns keine Aufmerksam mehr. Er trennte etwas in der Hose auf und holte ein Stu:kchen heraus. Danach wurde er lustig und sagte uns sehr gutmu:tig, das wir Glu:ck ha:tten, den ein anderer ha:tte uns alle fu:r die ungesezliche Aufbewah-rung der Kostbarkeiten niedergeschossen.

Mit jedem Tag  wurde das Leben im Ghetto immer furchterlicher.

Eines Tages kehrten wir von der Arbeit zuru:ck und trafen  den Arzt Baraban und seine Familie und auch die A:rztin Rubantschik nicht mehr an. Sie alle waren erschossen worden ".
    
                9.

Ende Oktober - Anfang November 1941 planten die Okkupanten die na:chste,  Massenerschies-sung der Ghettogefangenen, die nach der Blutaktion vom 15. September noch u:brig in Ber-ditschev geblieben waren.

Unter ihnen waren die 400 Fachleute aus verschiedenen Berufen und ihre Familienglieder, die bei fru:heren Aktionen von der Stadtverwaltung ausgesucht worden waren.

Fu:r diese fu:nfte Massenerschiessung der Juden von Berditschew bestimmten die Okkupan-
ten den Tag des 30. Oktober 1941.

So erinnert diesen Tag damals 13-ja:hrige Gefangene der Berditschewghetto Naum Epel- feld  :

"In der Nacht von 29. zum 30. Oktober des Jahres 1941 war alles fast so, wie in der Nacht von 14. zum 15. September.

Genau wie damals wurden wir von wilder Schiesserei aufgeweckt. Wir wurden alle samt  und sonders aus den Ha:usern in die Herbstnacht hinausgejagt. Ebenso wie damals wurden wir in  eine Kolonne getrieben, aber wir wurden nicht  zum Marktplatz sondern in die "Fest- ung" gejagt.

Die Bewohner der Berditschew nannten das altertu:mliche Kloster-Festung der Karmeliten-
mo:nche, in dem bis zum Krieg das sta:dtische historische Museum unterbracht war, -"Festung".

Diesmal wurden deutsche Soldaten kaum gesehen. Alles machten ukrainischen Polizisten.

Wir wurden in einen riesigen tiefen Keller des Klostergeba:udes getrieben. Im Keller her-rschte Halbdunkel.

Durch die wenigen vergitterten Fenster schossen hin und wieder in den Keller Polizisten, die wahrscheinlich dachten, dass nicht alle von ihnen an den bevorstehenden Erschissun- gen der in den "Festung" getriebenen Juden teilnehmen wu:rden.

Der Zahl der Verwundeten und Geto:tenen im Keller wuchs. Jemand bemu:hte sich, den Verwundeten Hilfe zu leisten.

Kurz von Beginn des Krieges hatte mein Vater in diesem Keller die elektrische Leitung fu:r die Beleutung gelegt. Einmal nahm er mich mit und bat einen der Museumsmitarbeiter
mir diesen Keller zu zeugen. Darum wuste ich, dass es in dem Keller nur einen Ausgang gab.

Doch begann ich nach einem anderen Ausgsgang oder Aussteig aus dem Keller zu suchen und entdeckte an in einem Ort unter der Decke ein kleiner Fenster, das mit Stacheldraht
versperrt war.

Unter dem Fenster fand ich unsere Nachbarin Marija Rafailowna, die sich erbrach.
Sie war Aptekarin und hatte offensichtlich das Gift, das sie fu:r diesen Fall bereitgehalten hatte, zu sich genommen.

Ich rief meinen Vater. Als er kam, war die Frau schon tot.

Oben an Fenster sahen wir plo:tzlich einen ukrainischen Polizisten, der eilig sein Gewehr von der Schulter riss, und wir zogen schnell zuru:ck.

Fast ohne Pause wurden von o:rtlichen Polizisten immer neue Gruppen von Gefangenen aus dem Ghetto in den Keller getrieben.

Die Schu:sse der Polizisten von oben in den Keller hinein ho:rten nicht auf. Es schien,
dass die dort oben keine Menschen waren, sondern toll gewordene Raubtiere.

Ich versuchte den Vater zu u:berreden, durch das mit Stacheldraht versperrte Fensterchen herauszufinden, denn ich wollte unbedingt leben.

Uns blieb keine Hoffnung auf Rettung.
Wenn es am 15. September irgendeine Auswahl unter den Opfern gab, gab es diesmal keine. Uns war klar, dass wir alle, die in den Keller getrieben worden waren, unvermeidlich erschossen wu:rden.

Wir gerieten in einen Zustand a:hnlich einem Schockzustand. Wie ich spa:ter erfahr, fielen to:dlich verwundete Soldaten in diesen Zustand und wurden gegenu:ber ihrer Umgebubg vo:llig teilnahmlos.

Und plo:tzlich kam unsere Rettung.

Von oben rief jemand, ob im Keller der Elektriker Epelfeld sei.
Vater grief meine Hand und begann  sich zum Ausgsng durchzuschlagen.
Als wir auf den ersten Treppenabsatz stiegen, kam ein Polizist und wollte mich von meinem Vater wegreissen.

Mein Vater klammerte sich buchsta:blidh an meiner Hand fest und lies mich nicht los.
Ich ereinnerte nicht, wie lange dieser Kampf dauerte und wer den Polizisten stoppte.

Erst oben auf dem Hof der "Festung", der volller Polizisten und deutscher Soldaten war,
kam ich zu mir.

Da kam der Zahlmeister des Kriegshospitas zu uns, das im sta:dtischen Krankenhaus befand
und in dem mein Vater vor Kriegsausbruch gearbeitet hatte und in das wir beide ta:glich aus Ghetto zur Arbeit gegangen waren.

Der Zahlmeister war a:hnlich einem Leiter des technischen Personals und des Dienstperso- nals. 

Er brachte uns ins Hospital und sagte uns, dass wir von nun an in dem Hospital wohnen wu:rden und nicht nach draussen ausgehen du:rften. Danach rief er einen Soldat und befahl ihm, uns zu unserer Wohnungstube zu bringen.

In dieser Stube trafen wir vier Juden an, - zwei Schneider, den Schuster und den Friseur.

Ein wenig spa:ter wurde der Tischler Kraschenyj zugefu:hrt, dem es gelungen war, aus der
Kolonne der zum Tode Verurteilten auszureissen und sich zum Hospital durchzuschlagen.

Die Stube, die uns als Wohnraum gegeben wurde, war tagsu:ber Schneider- und Schusterwerk-
statt. Wir schliefen auf den Tischen und auf dem Fussboden.
Zu essen bekamen wir die Reste aus der Soldatenku:che.

Diese Stu:be in dem deutschen Kriegshospital war fu:r uns eine Insel des Paradieses mit-ten in der Okkupationsho:lle, denn unsere Behaltung durch das Krankenhauspersonal war insgesamt nicht schlecht. Viele von ihnen begegneten uns mit Anteilnahme.

Von diesen Menschen erinnerte ich mich besonders an den Zahntechniken Krolik, den Obergefreiten Schwanez und den Koch Viktor, der jede Mo:glichkeit ausscho:pfte uns gros- se Essenportionen zuzuteilen, wenn keine Fremden in der Na:he waren. An Weinachten gab
Viktor jedem von uns anstatt Tee einen vollen Feldkessel mit Glu:hwein.

Ich erinnere mich auch gut an den fu:hrenden Hospitalchirurgen Leo.
Als mein Vater an Furunkulose litt, operierte dieser Mensch seine Furunkel und wu:nschte meinem Vater, dass alle seine Feinde wie die Eiter verschwinden mo:chten.
Wir redeten noch lange u:ber diesen Wunsch und konnten nicht verstehen, wie ein Oberst der Okkupationsarmee solche Worte zu sprechen konnte.

Aber besser als alle verhielt sich der Unteroffizier Jorik zu uns. Nicht nur fu:r Worten verhielt er sich gut zu uns, sondern er beging auch eine menschliche Heldentat, als er eine junge Frau in das Hospital mitbrachte und ihr eine Stelle als U:bersetzerin ver- schaffte. Nur deshalb u:berlebte  dieses ju:dische Ma:dchen die Nazistische Okkupation.

Wir hatten Glu:ck, dass der Zahlmeister kein wilder Nazi war und sich gema:ss seiner Dienstpflicht ehrenhaft verhielt.

Mit Hilfe des Zahlmeisters gelang es uns, bis zum Februar des Jahres 1942 im Hospital zu bleiben.

Danach verbot die Kommandatur des SD der Hospitalverwaltung die ju:dischen Handwerker ausserhalb der Arbeitszeit dazubehalten.

Die Hospitalverwaltung wurde verpflichtet, uns in das Lager zu:bestellen, das von der SD-Kommandatur auf dem Berg Lyssaja Gora auf dem Gebiet der ehmaligen Kaserne des 14.Kava- lerieregiments der Rote Armee unterhalten wurde".


An dem schrecklichen Tag des 3. November 1941 begannen die Okkupanten, die Menschen, die sich in "Festung" befanden, in Gruppen von 150 Menschen zu den Erschiessungsgraben im Bezierk  des Aussiedlerhofes Sokulino, die im Voraus von Kriegsgefangenen  ausgegraben worden waren, zu bringen und dort zu erschiessen.

Diese Erschiessung wurde von einem SS-Offizier geleitet.

Die Opfer wurden von deutschen Soldaten und von ukrainischen Polizisten zu den Erschiessungsgra:ben getrieben und dort erschossen.

Unter den Polizisten war auch damalige Vorgesetzte der Stadtpolizei Selinskij.

Vor der Erschiessung haben die Vollziher dieses blutigen Massakers die Menschen gezwungen sich vo:llig zu entkleiden.

Die Henker stiessen die nackten Menschen in die Erschiessungsgra:ben hinunter und erschossen sie danach von oben.

Viele dieser Menschen gingen in den Tod wie zur Befreiung nach den vier schrecklichen Monaten zwischen Leben und Tod und nach dem Verlust der allna:chsten Verwandten, die bestialisch vor ihren Augen geto:tet worden waren.

An diesem Tag, am 3. November 1941, erschossen die Okkupanten neben anderen Opfern auch die allgemein in Berditschew bekannten A:rzte Wurwarg, Regina Blank (Stomotologin) und Liberman zusammen mit ihren Familien.

Den Arzt Liberman konnte vor dem Erschiessen nicht retten, dass er in seiner Jugend griechisch-christlich getauft worden war und dass in einer Ecke seiner Wohnung Heiligen- bilder hingen.

Der Arzt Wurwarg in seiner Jugend die medizinische Fakulta:t einer Universita:t  in Deutschland beendet und war danach wa:hrend des ersten Weltkrieges als Kriegsgefangener dort. Er sprach fliessend Deutsh. Darum hoffte er naiv, dass die Nazis seine Familie verschonen wu:rden. Doch er wurde von den Deutsch und Ukrainisch sprechenden Bestien zusammen mit seiner Frau und seinen zwei To:chtern geto:tet.

Bei der Durchfu:hrung  dieser blutigen Aktion gab es wieder eine willku:rliche Selektion durch die Okkupanten. Diesmal liesen sie 150 ju:dischen Handwerkern das Leben.

Unter diesen Handwerkern entrannen dem sicheren Tod der Elektriker Assir Epelfeld mit seinem Sohn Naum Epelfeld, der Mauerer Pekelis mit zwei So:hnen Michael und Wulf, der Schuster Schkljar, der Sattler Satanowskij und der Tischler Kraschenyj.

Am 3. November des Jahres 1941 wurde das Ghetto von Berditschew endgu:ltig liquidiert.

Wa:hrend fu:nf Massenerschiessungen der Juden von Berditschew in den ersten Tagen des August, am 28 August, am 5. und 15. September und am 3. November des Jahres 1941 wurden meher als 30.556 Menschen, - Frauen und Ma:nner, Knaben und Ma:dchen, Jungfrauen und Ju:nglinge, Alte und Sa:uglinge von den Naziokkupanten und von ihren o:rftlichen Mithelfern bestialisch geto:tet.

                9.

Am Tag des 25. Februar des Jahres 1942 gab Gebitskomissar von Berditschew Smidt den Befehl aus, gema:ss dem alle Juden, die sich noch vor der Okkupationsverwaltung verbargen, verpflichtet wurden, im Laufe einer Woche in das Lager des SD auf dem Berg Lyssaja Gora u:bersiedeln.

In diesem Befehl wurde auch gesagt, dass jeder Jude, der am 2. Ma:rz und spa:ter ausserhalb des SD-Lagers entdeckt wu:rde, sofort erschossen wu:rde.

Nach der Ausgabe dieses Befehls wurden alle Handwerker, die am 3. November nicht erschossen wurden, in der Baracke №1 des SD-Lagers am Berg Lyssaja Gora u:berfu:hrt.


Die Naziehenker haben in Gebiet von Berditschew den teuflischen Plan der "endgu:ltigen Lo:sung der ju:dischen Frage" sehr fleissig ausgefu:hrt.

Im Dorf Dmitrowka, fu:nf Kilometer von Berditschew entfernt la:ngs der Chaussee Berditschew - Shitomir, befand sich ein Weisenhaus.

Aus diesem Heim holten die Okkupanten 70 ju:dische Kinder ab und vollzogen an ihren feierliche Taufe. Bei der Taufe waren der Gebietskommissar und Leiter der Stadtverwaltung von Berditschew anwesen.

Am na:chsten Tag wurden alle diese 70 Kinder zur SD-Kommandatur gefahren und am Berg Lyssaja Gora erschossen.


Im Mai und Juni des Jahres 1942 haben die Okkupanten in den Do:rfern  und Sta:dtchen ringsum Berditschew eine Serie von Treibjagden und Erschiessungen an den Juden durchfu:hrt, die von Pogromen und Zwangsvollstreckungen noch nicht erfasst worden waren.

Mehr als 700 ju:dische iunge Ma:dchen und halbwu:chsige Knaben, die  wa:hrend dieser Trebjagden gefangen, aber nicht geto:tet wurden, wurden aus Januschpol (Ivanpol), Andruschovka, Rushin und Kasatin in das SD-Lager auf dem Berg Lyssaja Gora getrieben.

Von diesen neuen Lagergefangenen wurden dijenigen zu den Gefangenen in die Baracke №1 gebracht, die fu:r die Okkupanten und ihre ukrainischen Mithelfer einen brauchbaren Be- ruf hatten.

Am 16. Juli 1942 erschossen die Soldaten der Lagerwache und o:rtliche Polizisten im ehemaligen Schiessstand des 14. Kavalerieregiments der Roten Armee auf dem Berg Lyssaja Gora 700 Lagergefangene und 230 Handwerker aus Baracke №1.

Nach diesen Erschiessungen blieben in der Baracke №1 noch etwa 60 Handwerker, ohne deren Dienst die Okkupanten nicht auskommen konnten.

Zwischen diesen Fachleuten waren Assir Epelfeld mit seinem Sohn Naum, der Tischler Kraschenyj, der Mauerer Pekelis un der Sattler Satanowskij.

Die Erschiessungen auf dem Berg Lyssaja Gora ho:rten nicht auf.
Der Sattler Satanowskij, der in dieser Zeit auf dem Gebiet des SD-Lagers auf dem Berg Lyssaja Gora arbeitete, erza:hlte spa:ter in der Sitzung der Staatlichen Kommission au:f die Feststellung unt Untersuchung der Missetaten der deutsch-faschistischen Okkupanten in Berditschew davon, was er damals dort gesehen hat:

"In dem SD-Lager auf dem Berg Lyssaja Gora wurden die Erschiessungen ta:glich durchgefu:hrt.

Dabei mussten zu dem Tod verdammten Gefangenen die Erschiessungsgra:ben mit ihren Ha:nden ausgraben. Nach der Erschiessung wurden die Erschiessungsgra:ben von den Hitlersoldaten und den o:rtlichen Polizisten vergraben.

An diesen allta:glichen Erschiessungen haben der Gefreite Esselbach, der Unteroffizier Enrich und der Wirtschaftsleiter der SD-Kommandatur Pinz teilgenommen.

Ich selbst war Augenzeuge der Erschiessung der Juden und der kriegsgefangenen Rotarmi-sten im SD-Lager auf dem Berg Lyssaja Gora.

Die Henker banden mit Draht die Ha:nde ihrer Opfer hinter ihrem Ru:cken fest, damit die zur Tod verdammten Menschen keinen Widerstand leisten konnten".



Nach einer gewissen Zeit wurden 150 Gefangenen der Baracke №1 aus dem SD-Lager auf dem Berg Lyssaja Gora in das Stadtgefa:ngnis hinu:ber getrieben.

In Stadtgefa:ngnis wie in dem SD-Lager waren Verho:hnungen der Gefangenen und Ereschiessungen eine Allta:glichkeit.

Naum Epelfeld erinnert sich:

"Also wir wurden  in das Stadtgefa:ngnis getrieben.

Wir Juden waren in einem abgesonderten Geba:udeblock, in dem sich vor dem Krieg das Gefa:ngnishospital befand.

Wir waren etwa 150 Menschen und wurden in zwei Zellen zu 70 bis 80 Menschen gepackt.
Es war so eng, dass wir der Reie nach geschlafen haben.

Unsere Lebensordnung war grausamst.
Am Morgen dreissigminu:tige Spazierga:nge in dem inneren Gefa:ngnishof, der von einer sehr hohen Zigelmauer umgeben war.

In diese Zeit fu:hrten die Diensthabende ein Reinermachen der Zellen durch.

Nach dem Spaziergang wurden wir in unsere Zelle getrieben, in denen wir bis zum na:chsten Morgen blieben.

Dann bekamen wir unser Fru:hstu:k : einen Krug heisses Wasser und ein stu:kchen Ersatzbrot, gebacken aus Mehl mit einer Beimischung von Holzmehl oder Spelzen.

Ein Laib Brot wurde fu:r zehn Menschen berechnet. Mann schnitt den Brotleib nicht mit Messer sondern mit dem Faden, um mo:glichst wenig Kru:mmel zu haben.

Danach kehrte sich einer von uns zur Mauer hin, und man fragte ihn: "Wimin?" ("Zu dem?")
und er nannte den Namen oder Familiennamen desjenigen, dem das na:chste in der Reie der Brotstu:ckchen bestimmt.

Zum Mittagessen gab man uns eine Schu:ssel Suppe. Das Abendessen bestand aus einem Glass
heissem Wasser.

Fast ta:glich trieb man ein oder zwei Menschen aus Zellen zur Erschiessung, hauptlich Kinder oder a:ltere Gefangene. Speter erschoss man  einmal in Monat und dann einmal alle
fu:nf bis sechs Tage zehn bis funfzehn Gefangene aus unseren Zelle.

Als von den etwa 150 Gefangenen nur noch zwanzig lebten, wurden wir alle in eine Zelle gefu:rt und die regelma:ssigen Erschiessungen ho:rten auf.

Doch Kranke und Verletzte (sogar geringfu:gig) wurden sofort von den Okkupanten erschos- sen.

Nachdem der Schmied Jakov Reutman aus dem Sta:dtchen Ljubar unabsichtlich sein Knie ver-
letzte und mit einem Lappen verband, wurde er geradewegs vor allen Augen aus der Schmiede weggefu:hrt und erschossen".

Wenn ein deutsher Wachman oder ukrainischer Polizist in die Zelle kamen, musten die Gefangenen aufstehen und ihre Mu:tzen abnehmen.

Einmal kam ein getrunkener Polizist in die Zelle, in der zwischen anderen gefangenen Handwerkern sich auch der Elektriker Assir Epelfeld und sein Sohn Naum befanden.
Naum Epelfeld, der seine Schwache nach dem Tiphus "auf die Beine" schob, (um nicht erschossen zu werden), war nicht schnell genug aufgestanden. Da fasste der hoch gewachsene und starke Polizist den Jungen am Kragen und hievte ihn auf das Kohlenbecken, das zum Erhitzen von Lo:tkolben auf dem Fussboden stand.

Erst als die Zelle mit dem Rauch der angebrannten Hosen und mit dem Gestank des brennenden Menschenfleisches angefu:llt war, gab der Sadist dem Jungen die Mo:glichkeit aufzustehen und ging zuletzt aus der Zelle mit den Worten: "Beim na:chsten Mal bist du flinker!"

In einer Nacht platzte ein getrunkener Polizist in der Zelle der ju:dischen Handwerker und schlug mit dem Bajonett auf den Kopf des liegenden und schlafenden Assir Epelfeld mit den Worten": "Du Judensau! Wartest du auf das Kommen des Drecksiuden Stalin oder Drecksjuden Roosevelt?! Da kannst lange warten!"

Glu:cklicherweise hat er es nicht erraten.

               
                10.


Am 13. November des Jahres 1943, als Shitomir zum ersten Mal durch die Rote Armee von den Okkupanten befreit wurde, - danach wurde die Stadt erneut von den Nazis erobert und noch einmal von der Roten Armee endlich befreit, - wurde ein Teil der Gefangenen nach Westen fortgetrieben.

Die Gefangenen, die im Gefa:ngnis  gelassen wurden, wurden von den Nazis im Laufe des Tages auf dem Gefa:ngnishof erschossen.

Zur Durchfu:hrung dieser Massenerschiessung kam ein Sonderkommando aus Shitomir.
Da sind Erinnerungen von 15-ja:rige damals Naum Epelfeld an diesem schreckliche Tag:

"Am 13. November 1943 wurden wir wie gewo:hnlich zur Arbeit getrieben.
Um 10 Uhr morgens fu:hrten die Nazis noch eine Selektion durch.

Sie sortierten aus unserer Gruppe der ju:dischen Handwerker die Schneider, Schuster und Uhrmacher aus. Diese wurden dann auf die Fahrzeuge gesetzt und zusammen mit Evakuirungs-vermo:gen nach Westen gesandt.

Uns war nicht wohl dabei, denn wir verstanden, dass wir zusammen mit den anderen zuru:ck-gebliebenen Gefangenen erschossen werden wu:rden.

Um drei oder vier Uhr nachmittags kam eine Truppe Liquidatoren von SS- und SD-Mordgesel- len mit Maschinengewehren und verlor keine Zeit damit, ihre blutige Arbeit zu beginnen.

Auf dem Wirtschaftshof war schon seit langem eine Baugrube fu:r eine Spezielofen, der fu:r Verbrennung der Leichen gedacht war, vorbereitet. Zum 13. November wurde diese Grube vertieft und fu:r die Massenerschiessungen der Gefangenen  vorbereitet.

Man trieb die Gefangenen aus den Zellen des Gefa:ngnisses in Gruppen von zehn bis fu:nf- zehn Mernschen auf den Wirtschaftshof zur Baugrube und dort wurden sie erschosssen.

Bei Einbruch der Dunkelheit wurden die Gefangenen, die noch nicht erschossen waren, versammelt und zusammen mit uns in eine Zelle getrieben.

Wegen der Eile wurde die Tu:r der Zelle nicht versperrt und wir konnten aus unserer Zelle in einen kleinen Korridor hinaustreten, der mit einem anderen Korridor verbunden war, der parallel zu unserem verlief. An dessen Ende gab es eine versperrte Tu:r, die diesen Korridor von dem inneren Gefa:ngnishof trennte.

Keiner von uns dachte an Schlaf. Wir alle verstanden, das wir am Morgen von den Nazis erschossen wu:rden, wenn wir nicht auf irgende Art und Weise einen Weg aus diesem Gefa:ngnis finden konnten.

Aber wie haben wir das gemacht? Fussboden, Wa:nde und Decke der Zelle und der beiden Korridore waren aus Beton und vor dem Zellenfenster war ein eisener Gitter.

Immer, wenn Nazis oder Polizisten uns irgendwo getrieben hatten, nahm mein Vater seine Handtasche mit dem Arbeitswerkzeug mit. Auch diesmal hatte mein vater sein Werkzeug da-
bei und damit auch seine Eisensa:ge. Man entschloss sich, die Fenstergitter durchzusa:-gen, aber wir waren besorgt wegen Gereusches.

Und da entdeckte ich, dass der Kupplungsbolzen der a:usseren Versperrung der Tu:r, die uns von dem Gefa:ngnisinnenhof trennte, in Wand unseren Korridor  durchging und mit einer grossen Schraubenmutter von unserer Seite angeschraubt war.

Ich erza:hlte  meinem Vater von meine Entdeckung. In seiner Werkzeuge war ein verstell-barer Schraubenschlu:ssel, mit dem er die Schraubenmutter lossschraubte.
Danach stiessen wir den Kupplungsbolzen hinaus und o:ffneten die Tu:r.

Wir traten in den Gefa:ngnisinnenhof hinaus.

Der Hof war leer und durch eine hohe Mauer mit einem fest versperrten Tor von wirtschaftlichen Gefa:ngnishof abgetrennt, der nur mit Stacheldraht eingeza:unt war.

Auf dem Hof befand sich ein Hofabtritt ohne Tu:r, die wir plo:tzlich auf senem Dach ent-
deckten.

Wir benutzen die Tu:r als Leiter und kletterten u:ber Mauer in den Gefengniswirtschafts-hof.

Wir entdeckten dort unter der Stacheldrahteinza:ung einen von irgend jemandem aus-
gegrabene Durchkriechen, durch den wir durchkriechen konnten.

So rissen wir aus dem Gefa:ngnis aus in Freiheit".

Der lange Erschiessungstag ermu:dete wahrscheinlich die Henker und die Nachrichten u:ber Ankunft der Roten Armee in Shitomir erschu:tterte sie. So wurde bis zum Morgen die
Flucht der zum Tode verurteilten Gefangenen nicht entdeckt. Und das rettete ihnen das Leben am ersten Tag nach der Flucht.

Unter den Beteiligten dieser erfolgreichen Flucht befanden sich neben Assir Epelfeld und
seinem 15-ja:hrigen Sohn Naum Epelfeld auch Tischler Kraschenyj, der Schuster Schkljar und der Maurer Pekelis.

               
                11.


In der letzten Novemberwoche und im Dezember des Jahres 1943 fu:hrten die Okkupanten in Berditschew eine Razziaaktion durch, um mo:glichst viele Menschen in das ru:ckwertige Gebiet der zuru:ck weichenden Naziarmee zu treiben.

Ein Teil der aufgegriffenen Menschen wurde in dieser Zeit auf dem Hof des stadtlichen Ge-
fa:ngnisses und in dem Lager auf dem Berg Lyssaja Gora erschossen.

Im Stadtgefa:ngnis leitete der Befehlshaber des Gefa:ngnisses,- der deutsche Offizier Sibert,- die Erschiessungen und nahm an ihnen perso:nlich teil.

Im Verlauf der Untersuchung der Gr:ueltaten der deutsch-faschistischen Okkupanten und ihrer Mithelfer von der o:rtlichen ukrainischen Polizei in Berditschew wurden auf dem Gebiet des Stadtgefa:ngnisses zwei Erschiessungsgra:ben entdeckt und geo:ffnet, in denen etwa 300 durch das Feuer angebrannte Leichen lagen. An allen diesen Leichen fand
man die Einschusslo:cher im Genickteil des Schedels.

Am ersten Tag des Jahres 1944 fu:hrten die Okkupanten in der Stadt eine grosse Razzia und
Massendurchsuchungen durch. Alle an diesem Tag gefangengenommenen Menschen  wurden wahllos in ru:ckwa:rtiges Gebiet weg von der sich na:henden Front transportiert.

Am 3. Januar des Jahres 1944, unmittelbar vor ihrer Flucht aus Berditschew, erschossen die Okkupanten alle noch lebenden Gefangenen des SD-Lagers auf dem Berg Lyssaja Gora.

Diesen Liquidirung der Gefangenen im Lager sah der Sattler Chaim Satanowskij zu, dem es am Tag zuvor gelungen war, aus seiner Baracke zu fliehen.

Im Mai des Jahres 1944 erza:hlte Chaim Satanowskij in der Sitzung der Staatliche Kommission fu:r die Untersuchung der Gra:ueltaten der deutsch-faschistischen Okkupanten in Berditschew, was er an diesem Tag gesehen hatte :

"In der Nacht vom 1. zum 2. Januar des Jahres 1944 verbarg ich mich auf dem Dachboden eines Geba:udes am Hof der SD-Kommandantur, das von den Nazis verlassen worden war.

Ich glaube, dass in diesem Geba:ude keine Durchsuchung mehr stattfinden wu:rde.

Die Okkupanten in Berditschew wusten, dass sich die Frontlinie der Stadt schon na:hrte, darum wollten sie mit allen Gefangenen, die im SD-Lager auf dem Berg Lyssajf Gora noch am Leben waren, schneller fertig werden.

Am 3. Januar 1944 beobachtete ich vom Dachboden, auf dem ich mich versteckt hatte, die Erschiessung der Gefangenen auf dem Hof der SD-Kommandantur.

Die Gefangenen wurden in Gruppen von fu:nf bis zehn Menschen in den Hof der SD-Komman-dantur gefu:hrt.

Zuerst wurden ihre Ha:nde auf den Ru:cken gebogen und festgebunden, und danach wurden sie zur Grube, die dort fru:hzeitig ausgegraben worden war, getrieben und erschossen.

An diesem Tag haben die SD-Soldaten 120 Lagergefangene bei dieser Grube erschossen und dann vergraben.

Die Erschiessung leitete der SD-Kommandanturbefehlshaber Offizier Knorr.

Zusammen mit SD-Soldaten nahmen an der Erschiessung  der Gefreite Esselbach und Unteroffizier Enrich teil.

In der Nacht vom 3. zum 4. Januar 1944 sind alle SD-Offiziere und alle SD-Soldaten aus Berditschew geflogen.

Am 4. Januar des Jahres 1944 traten in Berditschew die Truppen der Rote Armee ein".


                12.


Laut die publizistischen Sammlung "Die Volksto:ter", die unter Redaktion des sowjeti- schen Schriftstellers Ilja Ehrenburg herausgegeben wurde, wurden in Berditschew wa:hrend der Zeit der Naziokkupation vom 7. Juli des Jahres 1941 bis zum 3. Januar des Jahres 1944 etwa DREISSIGTAUSEND Juden bestialisch geto:tet und nur zehn bis fu:nfzehn Ju-
den aus Berditschew sind auf wunderbare Weise am Leben geblieben.

Gema:ss der Mitteilung der Ausserordentlichen Staatlichen Kommission zur Untersuchung der Missetaten der deutsch-faschistischen Okkupanten und ihrer o:rtlichen Mithelfer to:ten die Nazis unter Teilnahme der ukrainischen Polizei wa:hrend zweieinhalb Jahren der Berditschewsbesatzung  38.536 sowjetische Bu:rger.

Die Massenerschiessungen in Berditschew im Jahre 1941, Anfang August von 960 Juden, am 28. August von 300 Juden, am 5. September von 10.656 und am 15. September von 18.640 Ju-den, geho:rt zu den ersten blutigen Aktionen der Massenvernichtung der ju:dischen Be-
vo:lkerung  in den von Nazis okkupierten Gebieten Europas und der Sowjetunion.


In diesem schwarzen September des Jahres 1941 rollte eine Welle blutiger Gewalttaten der Okkupanten und ihrer Mithelfer aus der o:rtlichen nichtju:dischen Bevo:lkerung u:ber alle Sta:dte, Sta:dtchen und Do:rfer der Ukraine, die von Nazis besetzt waren.

Am 90. Tag des Einmarsches der Naziarmee in die Sowjetunion, am 20. September 1941, teilte der Befehlshaber der 197. Feldkommandantur in seiner Meldung an den Befehlshaber  des operativen ru:ckwa:rtigen Bezirks der Armeegruppen "Su:d" mit :

"Fast im ganzen Gebiet der Feldkommandantur GIBT ES KEINE JUDE MEHR.
Nur in der Stadt Shitomir wohnten am 18. September 1941 im Ghetto noch 6000 Juden.

Fu:r andere Ghetos gab es schon keine Notwendigkeit mehr.

Es wurde auch festgestellt, das sich die Juden in Korostyschew und in Shitomir mit Partisanen verbu:ndet hatten.
Als Gegenmassnahme wurden in Korostyschew 60 Juden erschossen, und am 19. September 1941 wurde auch in Shitomir die Erschiessung der Juden durchgefu:hrt.


                13.


Die blutige Missetat der Nazis am 15. September des Jahres 1941, als im Laufe eines Tages 18.640 Juden des Berditschewer Ghettos bestialisch geto:tet wurden, war ein unheilvolles Vorspiel zur einer teuflischen Blutmesse, die Okkupanten an dem fu:r Juden heiligen "Tag des Gerichts" ("Jom Kipur"), dem 29. September des Jahres 1941, in Kiew am steilen Abhang von Babij Jar auffu:hrten.

Im laufe DIESES EINEN Tages haben nazistischen Mordgesellen und von ihnen rekrutierten o:rtlichen ukrainischen Verra:ter-Polizisten nach einer ra:uberischen Ausplu:nderung 35.000 Juden, bewohner von Kiew, erschossen.

Hier ist ein Auszug aus einem geheimen Bericht an den Vorsitzenden des Reichsministeriums der besetzten Gebiete nach der Verwirklichung dieser schrecklichen Aktion "Babij Jar" :

"Am 29. September des Jahres 1941 wurden am Ostrands von Kiew in der Schlucht Babij Jar 35.000 Juden von dem Sonderkommando 4a der Einsatzgruppe "C" und der Truppen des Polizeiregiments "Su:d" erschossen.

Einige junge SS-Ma:nner verloren  den Verstand. Sie ko:nnen diese Massenvernichtung von
Menschen nicht aushalten.
Sie mussten in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden.
Anderen wurde u:bel. Man mussten sie vor Ort mit Woldka behandeln..."

Unter diesem Bericht  steht die Unterschrift  des Majors Hans Koch, des kaltblutigen
Menschento:ters aus derselben Einsatzgruppe "C", die am 15. September des Jahres 1941 in
Berditschew ihre Gra:uteltaten veru:bt hatte.

Entsprechend dem Einsatzbefehl Nr. 101 der Einsatzgruppe "C" wurden 33771 Juden bei Babij Jar am 29. und 30. September 1941 innerhalb 36 Stunden systematisch durch Maschinengewehrfeuer erschossen.

Nach dem Massaker wurden Teile der Schluchtwa:nde gesprengt, um mit dem abgesprengten
Schutt die Leichenberge  zu verstecken.

Bis 12. Oktober wurden in der Schlucht Babij Jar ingesammt 51.000 Juden geto:tet.

Wa:hrend der Okkupationsjahre 1941 bis 1944 wurden auf dem Territorium der Ukraine 1,5
Millionen Menschen nur deshalb von den Nazis geto:tet, weil sie Juden waren.


                14.


Nur 8 Jahren der Gehirnwa:sche der Go:bbelsschen Naziepropoaganda und am 7. Juli des Ja-
res 1941 fuhren ehemals gesetzho:rige deutsche Bu:rger, die sich mit ihrer deutschen Kultur von Goete, Schiller un Heine bru:steten, in das ihnen vorher unbekannte Sta:dtchen Berditschew mit Schreien "Juden kaputt!" Und sie ermordeten innerhalb von ZWEIUNDEINHALB Jahren MEHR ALS DREISSIGTAUSEND Menschen, - Alte, Frauen und Kinder, - nur weil sie Juden waren, gewissenhaft, deutshpedantisch und bestialisch.
Und nur den zehn bis fu:nfzehn Juden, darunter meinen na:hrsten Verwandten Assir und Na-
um Epelfeld, gelang es, aus dem Rache des nazibraunen Molochs ausrissen.


Das geschah in Berditschew in den Lahren 1941 bis 1944.

Das geschah in der Mitte der 20. Jahrhunderts.

Das soll sich niemals, an keinem Ort und mit keinem Volk wiederholen!

Um die Wiederholung des Holaucausts zu vermeiden, darf man niemals die blutigen Ereignisse und die Opfer der nazistischen Menschento:ter vergessen.

    
        Lev POSTOLOV.
        Haifa, 28. Juli 2009.